Lobbyismus und Demokratie - verträgt sich das?

Allgemein

Mit einem Nachtrag vom 24.11.2015

Kompakt:

  • Die „Lobby“ ist ein Vorraum vor dem Parlament, in dem sich Personen („Lobbyisten“) mit Abgeordneten treffen können, um dort ihre Probleme bzw. Interessen vorzubringen; so die Theorie.
  • Häufig sind „Lobbyisten“ aber selbst in Ministerien oder als Abgeordnete im Parlament tätig, wo sie im Widerspruch zu ihrer eigentlichen Funktion einseitig die Interessen ihrer Auftraggeber vertreten.
  • Hier ist Transparenz erforderlich, um diese Tätigkeiten zu kontrollieren und dadurch den Missbrauch des Lobbyismus zu verhindern.

Die Lobby ist eine große Eingangshalle und da stehen sie - die Lobbyisten. So sind die Assoziationen. Doch, das wäre zu simpel! Es stimmt zwar: In der Lobby der Parlamentsgebäude stehen manchmal einige Bürger, um als Bittsteller in eigener Sache oder für Interessen-Vereine bestimmte Abgeordnete auf ihre Anliegen hin anzusprechen. Vielleicht schaffen sie es sogar, einen Termin zu bekommen, um dann letztendlich doch zu erfahren, dass „kein Handlungsbedarf“ bestehe. Mehr oder weniger frustriert zockeln sie dann wieder ab. - Echte Lobbyisten wird man in diesen Hallen wohl kaum antreffen. Die sitzen in ihren Büros neben den Regierungsgebäuden und pflegen intensive Kontakte mit den Abgeordneten und anderen Politikern. Ein Beispiel für Lobbyismus: Autolobby kontra Klimaschutz!

Und einige - man könnte sie als „verdeckte“ Lobbyisten bezeichnen - sitzen direkt in den Büros der einzelnen Ministerien oder als Abgeordnete im Parlament, werden für ihre Tätigkeit von Interessenverbänden, Konzernen oder Branchenverbänden beauftragt und dafür bezahlt, die Arbeit in den Ministerien im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen, beispielsweise bei der Formulierung von Gesetzen mitzuwirken, frei nach dem Motto: „Wess Brot ich ess´, dess Lied ich sing´.“ Und hier wird der Lobbyismus zum Problem.

Kontakte zwischen Abgeordneten (bzw. anderen für Regierungsentscheidungen zuständigen Personen) und Vertretern von Interessenverbänden, Konzernen etc. sind durchaus legitim, wenn sie zur Information der Abgeordneten und anderer Politiker dienen, und sind für eine effiziente Verwaltung eines Landes auch notwendig. Auch Tätigkeiten von Abgeordneten für z.B. Firmen in der Form von Nebenbeschäftigungen sind durchaus zulässig. Doch kritisch wird es, wenn diese Kontakte bzw. Nebenbeschäftigungen ohne öffentliche Kontrolle stattfinden. Dann ist die Versuchung zum Missbrauch – wie einseitige politische Aktivitäten oder Entscheidungen zum Vorteil des Auftraggebers – sehr hoch, teils für direkte finanzielle Vorteile oder andere geldwerte Vorteile (z.B. bezahlte Urlaubsreisen), teils in der Hoffnung auf einen späteren lukrativen Job nach Beendigung der politischen Funktion, und gerät dann leicht in die Nähe der Bestechung oder gar Korruption. Dies steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Demokratie, die den Abgeordneten verpflichten, sich zum Wohl aller BürgerInnen einzusetzen.

Das Volk sollte deshalb diese Lobbyisten namentlich kennen und wissen, von wem und wofür sie bezahlt werden und in den Vertretungen arbeiten. Zu Recht fordert TI-Deutschland: „Gefordert werden ein verpflichtendes Lobbyistenregister mit finanzieller Offenlegung, ein verbindlicher und umfassender Verhaltenskodex für Lobbyisten sowie klare Regelungen im Hinblick auf Interessenkonflikte.“ Auch die Jusos im Landkreis München „wollen keine verdeckten Lobbyisten in unseren Parlamenten! Schließlich kann der Wähler letztlich nur wissen, was er will, wenn er auch weiß, wen er wählt.“ Es sollte nicht der Satz von Alfred Paul Schmidt gelten: „Ein Politiker, der lügt, ist die Norm; zum Skandal wird er erst, wenn er schweigt.“ – Hier ist Transparenz gefordert!
24.01.2009 gmr

(Dieser Text ist eine Überarbeitung des Textes vom 23.10.2008)

Mehr zu der Problematik /Link/

Bitte lesen Sie / lies dazu auch:

 

Nachtrag vom 24.11.2015:
Geheime Lobbyisten-Hausausweise für den Bundestag

Damit die Lobbyvertreter ungehindert in den Bundestag gelangen können, benötigen sie einen Hausausweis. Diesen können sie sich offiziell bei der Bundestagsverwaltung besorgen oder heimlich, direkt bei den Fraktionen der Parteien im Bundestag. Mit diesem Ausweis haben die Lobbyisten Zugang zu den Abgeordneten oder deren Mitarbeitern und zu Regierungsmitgliedern und können so die Politik zum Wohl der Wirtschaft beeinflussen, ohne dass dies nach außen hin sichtbar wird. Auf Anfragen von abgeordnetenwatch.de legten schließlich die Bundestagsverwaltung, die Oppositionsparteien und die SPD die Namen der Lobbyisten offen, die von ihnen den begehrten Hausausweis erhielten. Nur die Unionsparteien halten ihre Lobbyisten weiterhin geheim /Link/.

Auf eine Klage von abgeordnetenwatch.de hin, entschied das Berliner Verwaltungsgericht, dass alle Kontakte offenzulegen sind /Link/. Dagegen wurde auf Betreiben der CDU/CSU und SPD Berufung eingelegt, wobei offenbar versucht wird, das Verfahren in die Länge zu ziehen /Link/.

Es ist uns unverständlich, dass unsere Partei zwar „ihre“ Lobbyisten öffentlich gemacht hat, aber sich trotzdem an der Berufung beteiligt. Auch wenn unsere Partei mit der CDU/CSU in einer Koalition zusammen regiert, sollte sie kein Erfüllungsgehilfe für undurchsichtige Manöver der Unionparteien sein. Die SPD Mitglieder und Wähler erwarten von ihrer Parteispitze, dass sie jeglicher Intransparenz, Bestechung und Korruption entschieden entgegen wirkt.
24.11.2015 mr

 
 

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