Ein nicht gedruckter Leserbrief

(Dezember 1992)

Lehrer und Lehrerinnen in Hauptschulen (HS) müssen gleichzeitig mehrere verhaltensauffällige Kinder betreuen, zusätzlich lernwillige Kinder unterrichten und noch dafür sorgen, daß die Kinder nicht untereinander gestört werden. In Heimen und Sonderschulen dagegen wird eine Gruppe von max. 8 Kindern neben dem Sonderschullehrer zusätzlich von einem extra dafür ausgebildeten Therapeuten betreut, der sich nur auf die Erziehung der Kinder im Hinblick auf das soziale Zusammenleben konzentrieren kann. Dagegen muß ein HS-Lehrer, ohne eine spezielle Ausbildung, mindestens 28 oder mehr Kinder betreuen, von denen ein Viertel oder gar ein Drittel und manchmal auch noch mehr stark gestört sind. Viele HS-Lehrer werden noch zusätzlich durch einen hohen Ausländeranteil (im Durchschnitt über 50%, mit den Aussiedlerdeutschen über 60% an unserer Schule) vor weitere Aufgaben gestellt. Die Arbeit mit diesen Kindern ist oft erfreulich, da sie vielfach aus intakten Familien stammen, andererseits stellt aber das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen, mangelnde Deutschkenntnisse und die völlig verschiedenen Schulbildungen in den einzelnen Herkunftsländern uns Lehrer vor besondere Aufgaben. Aber auch diese Eltern sind bestrebt, wenn eben möglich, ihre Kinder zur Realschule, Gesamtschule oder gar Gymnasium zu schicken. Also bleiben uns auch von denen nur die schwierigeren. Dadurch wird die HS zum Sammelbecken von verhaltensgestörten Kindern. Von 24 sind oft 6 bis 8 Kinder oder mehr hochgradig auffällig.

Es ist sehr frustrierend, in einer Klasse/Lerngruppe unterrichten und mit ansehen zu müssen, wie willige Kinder von den verhaltensgestörten Schülern um die Chance gebracht werden, die HS mit gutem Erfolg zu durchlaufen.

Die Einrichtungen der Jugendhilfe (z. B. Tagesklinik, Heim) haben viel zu wenige Plätze, um verhaltensgestörte Schüler aufnehmen zu können. Außerdem setzen sie das freiwillige Mitwirken der Eltern voraus. Oft jedoch kommen die dissozialen Kinder aus so chaotischen Familienverhältnissen, daß diese Eltern nicht auf freiwilliger Basis in therapeutische Maßnahmen einbezogen werden wollen.

Diese Probleme sind größtenteils verursacht durch Eltern, die die freie Erziehung propagiert und sich mehr um den Lebensstandard als um ihre Kinder gekümmert haben, und durch kurzsichtige Politiker, die leichtsinnig bewährte Schulsysteme aufgegeben haben, um sich zu profilieren.

Deshalb wäre es logisch, daß der Bürger einen finanziellen Beitrag leisten muß, um die HS besser ausstatten zu können, und daß Eltern verantwortlich dafür gemacht werden können, wenn sie ihre Kinder nicht zu einem angemessenen sozialen Verhalten erziehen (z. B. daß der Staat zum Wohl der Kinder den betreffenden Eltern das Sorgerecht entzieht, wenn sonstige Maßnahmen nicht fruchten). Schließlich sollten klare Richtlinien dafür existieren, wie die HS-Kinder behandeln werden sollen, die in der HS fehl am Platze sind.

Ein Teil der Mehrkosten für eine ausreichende Ausstattung der Mehrkosten an HS würde schon dadurch finanziert werden können, wenn man das 10. Pflicht-Schuljahr streichen würde. Denn den Kindern, außer den wenigen, die den Abschluß (Quali) machen, bringt das 10. Schuljahr nichts.

Die Lesebriefschreiberin ist als Volksschullehrerin seit über 20 Jahren an einer Hauptschule in ... tätig und hat von daher auch ein wenig die Entwicklung miterlebt.
- Es wurde immer schlimmer. -
Als Teilzeitkraft hat sie sich die Zeit nehmen können, sich auch um solche Dinge, wie diesen Brief, zu kümmern. Ihre Kollegen und Kolleginnen sowie die Schulleitung befürworten dieses Schreiben, haben aber nicht die Zeit, in dieser Hinsicht aktiv zu werden.

Im Dez. 1992 xxx
eingestellt am 24.11.2008

(Leserbrief wurde am 04.06.2009 aus einer nicht mehr existierenden Seite übernommen.)

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