Endlagerung radioaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken

(Mit einem Nachtrag vom 12.06.2010)

Unabhängig davon, ob die Brennelemente wieder aufbereitet werden oder nicht und unabhängig davon, wann die Kernkraftwerke abgeschaltet werden: Das entstandene radioaktive Material muss sicher endgelagert werden. Deutschland wird – wie auch jedes andere Land – seinen atomaren Müll im eigenen Land unterbringen müssen. Schließlich haben wir ja auch den Nutzen von der Kernkraft gehabt. Außerdem will kein Land, das auf dem Landweg erreichbar wäre – die Gefahr, dass auf dem Seeweg die Ladung „ins Wasser fällt“, wäre zu groß –, unsere radioaktiven Abfälle übernehmen. Selbst wenn eine Regierung in einem anderen Land aus Gewinnstreben den Müll annehmen würde, wäre das nicht zum Nutzen der dortigen Bevölkerung und würde auch das Problem nicht lösen. D.h., der Müll muss bei uns bleiben, da helfen auch keine Behinderungen des Transportes der Castorbehälter. Diese Behinderungen kosten nur den Steuerzahler zusätzliches Geld.

Die Endlagerung von mittel- und schwachradioaktiven Stoffen einerseits (etwa 90 % des Abfallvolumens, aber nur weniger als 1% der Radioaktivität) und von hochradioaktiven Stoffen andererseits (etwa 10 % des Abfallvolumens, aber mehr als 99% der Radioaktivität) erfolgt in getrennten Endlagern. Zur Lagerung kommen generell alle Erdformationen infrage, die sich voraussichtlich in Jahrmillionen nicht ändern werden. Für die hochradioaktiven Stoffe muss bei der Lagerung allerdings berücksichtigt werden, dass diese auch weiterhin noch Wärme entwickeln. Das umgebende Salz oder Gestein muss die Wärme dann abführen können.

Der Schacht Konrad wird z. Z. umgebaut, so dass er ab Ende 2013 für die mittel- und schwachradioaktiven Stoffen als Endlager zur Verfügung steht. „Der Standort des Endlagers Konrad weist eine für ein Endlagerbergwerk sehr günstige geologische Situation auf. In etwa 800 bis 1.300 m Tiefe unterhalb des nordöstlichen Teils Salzgitter-Lebenstedts liegen eisenerzhaltige Gesteinsschichten, die das Wirtsgestein bilden, in dem das Endlagerbergwerk entstehen wird. Oberhalb dieser Gesteinsschichten befindet sich eine etwa 400 m mächtige Tonschicht, die wasserundurchlässig ist. Damit hat der Einlagerungsbereich des Endlagers Konrad keine hydraulische Verbindung zum oberflächennahen Grundwasser. Diese natürliche Barriere gewährleistet die Isolation des radioaktiven Abfalls von der Biosphäre.“ (atw 53, 600). Da die mittel- und schwachradioaktiven Abfälle meist nur Stoffe mit kleineren Halbwertzeiten (kleiner als 30 Jahre) enthalten, würde es auch ausreichen, wenn die Lagerung nur einige 100 Jahre sicher wäre.

Weitaus schwieriger erweist sich die Suche nach einem Endlager für die hochradioaktiven Stoffen und abgebrannte Brennelemente. Dazu wurde Anfang 1977 von der niedersächsischen Regierung der Standort Gorleben, ein Salzstock, vorgeschlagen. 1979 wurde mit der umfassenden, geowissenschaftlichen Erkundung des Standortes Gorleben begonnen. Im Oktober 2000 wurden allerdings die Erkundungen für längstens 10 Jahre ausgesetzt, um von der Bundesregierung geäußerte konzeptionelle und sicherheitstechnische Zweifel zügig zu klären. Im November 2005 legte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einen Bericht vor, in dem die Eignung des Standortes Gorleben als Endlager bestätigt wurde. Allerdings wurde im gleichen Bericht auch vorgeschlagen, weitere Standorte für ein Endlager zu suchen und dann das am besten geeignete auszuwählen.

Grundsätzlich kommen geologische Formationen aus Salz, Granit und Ton in Frage, die sich voraussichtlich nur wenig verändern werden. Es wird vermutlich in Deutschland mehrere Standorte geben, die als Endlager in Frage kommen könnten.

Hier bricht der große – politische – Streit aus. Einigen geht es nur darum, möglichst jedes Endlager politisch zu verhindern, um damit die Kernenergie abzuwürgen. Wie oben ausgeführt wurde, hilft das nicht weiter, denn irgendwo bei uns in Deutschland muss der Müll gelagert werden. Sollen sich darum erst unsere nachkommenden Generationen kümmern? – Andere, die weiter von Gorleben entfernt leben, wie etwa der bayerische Umweltminister Söder (CSU), führen aus, dass in die Erkundung von Gorleben über eine Milliarde Euro und 30 Jahre Forschungszeit gesteckt wurden und deshalb dieses Projekt weitergeführt werden solle. Wieder andere, die näher an Gorleben leben, würden natürlich gern sehen, wenn ein anderer Standort gefunden würde.

Dazu kann nur eine persönliche Meinung geliefert werden:

  • Ein oder zwei Milliarden Euro für Gorleben sind zwar viel Geld, aber nicht soviel, dass, wenn ein besserer Standort gefunden würde, dieser nicht genutzt werden sollte, auch wenn die zwei Milliarden Euro für Gorleben dann verloren sind.
  • Auch 20 bis 30 Jahre Verzögerung sprechen nicht direkt gegen ein anderes Endlager. Es ist sowieso günstig, wenn die Radioaktivität etwas abklingt, bevor die Stoffe eingelagert werden. In jedem Fall sind die Stoffe mit einer sicheren Hülle zu umgeben, z.B. in Glas einzuschmelzen, bevor sie in Fässer kommen. Glas ist chemisch sehr widerstandsfähig.
  • Es darf aber nicht passieren, dass ab jetzt immer wieder 30 Jahre lang für mehrere Milliarden Euro ein neues Endlager erforscht wird und man dann feststellt, vielleicht gibt es wo anders ein besseres. Man sollte dann schon gleichzeitig mehrere Standorte suchen, prüfen und vergleichen, selbst wenn das wesentlich teurer werden sollte. Die Politik macht sich unglaubwürdig, wenn sie die Suche nach einem Endlager über die nächsten hundert Jahre ausdehnt.
  • Ein Salzstock könnte ein guter Ort sein, um radioaktive Stoffe einzuschließen. Allerdings ist m. E. beim Salzstock Asse gezeigt worden, wie es nicht laufen sollte. Bei all den Arbeiten darf nicht das Gefühl entstehen, dass die Kernindustrie nur bestrebt ist, ihre Abfälle schnell und möglichst billig unter die Erde zu schaffen. Sicherheit muss die höchste Priorität haben!
  • Es muss verlässliche Sicherheit bestehen, dass Nachteile, die durch das Endlager bei der dort ansässigen Bevölkerung entstehen, voll ausgeglichen werden.

Egal, für welche Option man sich entscheidet, ein Endlager müssen wir finden, nicht unsere Nachkommen. Dies sollten auch die Kernkraftgegner einsehen.

Quellen: Mitteilungen des BMU, siehe z.B. hier, atw (pdf-Datei, 981 KB)
20.12.2008 rg


Nachtrag vom 12.06.2010:

„Lebenslauf“ Gorleben

  • Vor ca. 240 bis 60 Millionen Jahren (Perm und Tertiär): Der Salzstock Gorleben entsteht.
  • 1963 bis 1974: Es wurden Untersuchungen zur Endlagerung von radioaktivem Material durchgeführt. Dabei entstand die Idee, dass Steinsalzformationen für diese Endlagerung geeignet sein könnten. Der Bund suchte darauf einen unberührten großen Salzstock in einer siedlungsarmen Gegend /Link/.
  • 1975: Auswahl dreier Standorte durch den Bund, die in einem dreijährigen Forschungsprogramm vergleichend untersucht werden sollten.
  • 1976: Parallel dazu wurde von der Landesregierung Niedersachsen eine Untersuchung von 140 Salzstöcken veranlasst, was zu Widerständen der jeweiligen Anwohner führte.
  • 1977: Niedersachsen schlug überraschend Gorleben als möglichen Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum mit Wiederaufarbeitungsanlage, Brennelementefabrik und Endlager vor.
  • 1979: Beginn der Erkundung des von der Landesregierung Niedersachsen vorgeschlagenen Standortes Gorleben. Die Erkundung begann erst einmal über Tag. D. h. man versuchte zunächst, den Standort nur von oben zu erkunden. Dazu gehört, zu prüfen, ob über dem Salzstock eine wasserundurchlässige Erdformation ist.
  • Mai 1983: Veröffentlichung eines Zwischenberichtes der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, mit dem Ergebnis, dass eine Eignung des Salzstockes Gorleben zu erwarten ist und dass deshalb empfohlen wird, den Salzstock unter Tage zu erkunden.
  • Juli 1983: Die Bundesregierung unter Kohl (CDU) stimmte der untertägigen Erkundung des Salzstockes zu. Ab 1986 wurden 2 Schächte in den Salzstock getrieben und mit der Untersuchung des Salzstockes begonnen.
  • 1990: Fortschreibung des Berichtes von 1983, nachdem die Datenauswertung zur Standorterkundung nun soweit abgeschlossen war.
  • 1996: Aktualisierung des Berichtes mit dem Ziel, die Öffentlichkeit über die zwischenzeitlich gewonnenen Erkundungsergebnisse und den Stand der Eignungsbewertung zu informieren.
  • 01.10.2000: Unterbrechung der untertägigen Erkundung des Salzstockes in Gorleben für 3 bis 10 Jahre (Moratorium der Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD)). In dieser Zeit sollten nur noch Arbeiten zum Erhalt des Salzstockes durchgeführt und diese Zeit dazu genutzt werden, um allgemeine Fragen zur Sicherheit der Endlagerung zu klären.
  • Dezember 2002: Der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) eingerichtete Arbeitskreis legt eine Empfehlung für ein Auswahlverfahren von Endlagerstandorten vor.
  • August 2005: Erlass einer Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung, um zu verhindern, dass nicht durch irgendwelche Maßnahmen die Erkundung des Standorts Gorleben erschwert wird.
  • November 2005: Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) veröffentlicht einen Bericht, in dem grundlegende Fragestellungen der Endlagerung beantwortet werden, allerdings nicht zu Gorleben.
  • März 2010: Nach dem Willen der Bundesregierung unter Merkel (CDU) (genauer des BMU) soll die Erkundung des Salzstockes Gorleben wieder aufgenommen werden, wobei das Ergebnis noch offen ist.
  • Das BfS ist gerade dabei, ein Verfahren zur Erkundung anderer Standorte zu entwickeln.
  • 26. März 2010: Einsetzen eines Untersuchungsausschusses

Das BfS geht davon aus, dass es noch mindestens 15 Jahre wissenschaftlicher Arbeit bedarf, bevor entschieden werden kann, ob Gorleben als Endlager geeignet ist oder nicht. Pressemitteilungen, die von einem früheren Termin ausgehen, sind mit Skepsis zu betrachten. Für die Genehmigung von Gorleben als Standort für eine Endlagerung ist das Land Niedersachsen zuständig.

Quelle: BfS /Link/.

Sind Salzstöcke als Endlager geeignet?

Salzstöcke werden als geeignet als Endlager betrachtet, weil Salzstöcke schon seit vielen Millionen Jahren - nördlich des Harzes seit dem Perm - bestehen und man annehmen darf, dass sie auch für weitere Millionen Jahre so bestehen bleiben. Problematisch ist jedoch, dass, um etwas in einem Salzstock lagern zu können, Schächte in den Salzstock getrieben und Hohlräume im Salzstock geschaffen werden müssen. Später müssen diese Hohlräume wieder mit Salz verfüllt werden und zwar vollständig. Dies kann zu Änderungen im und über dem Salzstock führen (z. B. zu Rissen in der Schicht darüber, so dass Wasser eindringen kann), so dass es dann unter Umständen nicht mehr sicher ist, ob der Salzstock danach noch einen sicheren Einschluss bietet. Genau dies wird von Kritikern für den Salzstock bei Gorleben befürchtet.
Weitere Fragen: Wird die Wärme aus den eingelagerten Brennstäben zur Genüge abgeführt? Kann in einem Salzstock Wasser (z. B. als konzentrierte Salzsole) fließen, das zwar nicht den Bestand des Salzstockes insgesamt gefährdet, aber dennoch radioaktives Material aus korrodierten Fässern weiter transportieren kann?

Insgesamt gesehen: Es muss umfassend geprüft werden, ob z. B. der Salzstock in Gorleben wirklich als Endlager geeignet ist. Alternativ sollten andere geeignet erscheinende Erdformationen untersucht werden.

Zum Untersuchungsausschuss:

Es sind Vorwürfe aufgetaucht, dass das o. g. Gutachten ( Zwischenbericht) von 1983 manipuliert worden sei und dass die Entscheidung, nur den Salzstock in Gorleben als Endlager zu erkunden, politisch motiviert war /Link/. Aus diesem Grund hat der Bundestag auf Antrag der Abgeordneten der SPD, der Linken und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 26. März 2010 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt /Link/.

Wir halten diesen Untersuchungsausschuss für wenig sinnvoll, weil wir glauben, dass dies den Abgeordneten viel Zeit kostet, ohne dass dabei etwas Wichtiges herauskommen wird. Erfahrungsgemäß werden die Unionsparteien danach behaupten, Manipulation sei nicht erwiesen worden und die Oppositionsparteien, dass sie erwiesen sei. Außerdem, was nützt es dem Bürger, wenn er dann weiß, dass vor 27 Jahren ein möglicherweise falsches Gutachten vorgelegt worden ist?

Es ist ohne weiteres denkbar, dass der Standort Gorleben 1977 von der Landesregierung Niedersachsen unter Ministerpräsident Albrecht (CDU) vor allem auch deshalb ausgewählt wurde, weil der Salzstock Gorleben damals im dünn besiedelten Zonenrandgebiet (Schachtanlage war ca. 3 km von der damaligen DDR-Grenze entfernt) lag und man glaubte, dort würde ein Endlager am wenigsten stören. Außerdem könne dadurch die Wirtschaft in dem Raum angekurbelt werden. Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) hat dann diesem Vorschlag zugestimmt. Es sollte möglichst schnell ein Endlager gefunden werden. 1983 wurde dann ein Zwischenbericht (Gutachten) vorgelegt, von dem offenbar heute ein Entwurf und die endgültige Fassung existieren. Es wäre nicht verwunderlich, wenn damals der Entwurf auf Wunsch der damaligen Regierung unter Bundeskanzler Kohl (CDU) zum endgültigen Gutachten überarbeitet worden wäre. Es geschieht im technischen Bereich häufiger, dass der Sachverständige einen Entwurf vorlegt, dann mit dem Auftraggeber darüber spricht und auf Wunsch des Auftraggebers Änderungen vornimmt. Insbesondere bei der Bewertung der vom Sachverständigen ermittelten Sachverhalte sind Modifikationen durchaus möglich. Das Gutachten ist u. E. erst dann als unbrauchbar zu bewerten, wenn es dabei im Gutachten ohne Angabe von nachvollziehbaren Gründen zu einer „Kehrtwende“ kommt, wobei kritische Gesichtspunkte bewusst ignoriert werden.

Gesetzt den Fall, die Vorwürfe würden sich erhärten, was würde daraus heute für Gorleben folgen? Aus unserer Sicht: nichts!

Das Gutachten von 1983 wurde auf Grund von Sachverhalten angefertigt, die über Tage erkundet werden konnten. Es konnte deshalb überhaupt nicht die Frage beantworten, ob der Salzstock in Gorleben als Endlager geeignet ist oder nicht, sondern nur, ob es überhaupt einen Sinn hat, Gorleben weiter als Endlager in Betracht zu ziehen. Man hat den Salzstock dann weiter erkundet, und kann trotzdem - völlig unabhängig davon, ob das damalige Gutachten falsch oder richtig ist - auch heute noch nicht die Frage beantworten, ob der Salzstock in Gorleben als Endlager geeignet ist oder nicht. Man wird wohl weiter forschen müssen.

Aus unserer Sicht wäre ein Untersuchungsausschuss dringend geboten und sinnvoller, der nicht nur in der Vergangenheit „herumwühlt“, um Schuldzuweisungen aussprechen zu können, sondern der klärt, wie heute die dringend gebotene Suche nach einem Endlager fortgesetzt werden soll.

Dabei müssten u. a. folgende Fragen geklärt werden:

Wie ist der Stand der bisherigen Erkenntnisse über die Eignung des Salzstocks in Gorleben als Endlager?
Dabei sollte u. E. auch kritischen Stimmen, wie dem Gutachten des Kieler Geologen Ulrich Schneider - erstellt im Auftrag der Linken - nachgegangen werden.

Ist es auf Grund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse noch sinnvoll, den Salzstock Gorleben weiter zu erkunden?

Sollte nicht auch die Suche nach anderen Standorten aufgenommen werden? Auch in Zusammenarbeit mit anderen Ländern, wie z. B. mit Tschechien? Bewertung der dazu vorliegenden Vorschläge.

Bei der Suche eines oder mehrerer Endlager sollte man sehr sorgfältig vorgehen. Wir können uns leider nicht des Gefühls erwehren, dass der Untersuchungsausschuss in der jetzigen Form dazu missbraucht werden könnte, die Lösung der Endlagerfrage weiter verschleppen zu wollen. Aus unserer Sicht sollte das Parlament aktiv an Weichenstellungen bei der Suche nach einem Endlager mitarbeiten.
12.06.2010 gr

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