Ausstieg aus der Kernkraft (Atomausstieg)

(Mit einem Nachtrag vom 09.04.2014)

Am 11.03.2011 wurden durch einen Tsunami in der japanischen Atomanlage Fukushima 1 die Blöcke 1 bis 4 zerstört. Dabei wurde eine große Menge Radioaktivität freigesetzt. Bundeskanzlerin Merkel hat daraus „gelernt“ und ließ eiligst am 14.03.2011 in Deutschland sieben AKWs abschalten („Memorandum“). Das AKW Krümmel war bereits seit dem 04.07.2009 abgeschaltet. Kurz davor im Sept. 2010 hatte sich die Schwarz-Gelbe Regierung noch für eine Laufzeitverlängerung eingesetzt. Kanzlerin Merkel hatte dann offenbar erkannt, dass sie damit ihr Ansehen in der Bevölkerung verschlechtert hatte. So kam Fukushima gerade recht! Außerdem stand am 27.03.2011 die Landtagswahl in Baden-Württemberg an und der Ruf des damaligen Ministerpräsidenten Mappus (CDU) war durch einen übermäßig harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart21-Gegner stark angeschlagen. Durch diese „180-Grad-Wende“ im März 2011 kam es nicht zur geplanten Laufzeitverlängerung, sondern der Deutsche Bundestag beschloss am 30.06.2011 ein Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“ /Link/ (Kommando „PDF in neuem Fenster“ anklicken). In diesem Gesetz wurde zusätzlich zu den erzeugten Elektrizitätsmengen für jedes AKW der Zeitpunkt für das Ende des Leistungsbetriebes festgelegt. Offenbar waren da wohl Juristen am Werk, so dass das Ende mitten im Winter des jeweiligen Jahres festgelegt wurde und nicht - sinnvoller - am Ende der Winterperiode (also z. B. Ende April).

Durch diesen Aktionismus der Regierung Merkel wurde den Energieerzeugern das Vertrauen auf Planungssicherheit genommen, so dass sie sich auch heute noch mit Investitionen, wie sie für die Energiewende notwendig wären, zurückhalten oder nur noch tätig werden, wenn der Staat, bzw. seine Bürger, alle finanziellen Risiken übernehmen (wie z. B. bei den Windparks in der Nordsee). Das wird den kleinen Stromkunden oder den Staatshaushalt noch teuer zu stehen kommen. Am besten wäre es gewesen, wenn man die Regelung der Rot-Grünen Regierung von 2000 beibehalten hätte. Wie man aus der folgenden Tabelle entnehmen kann, wären auf Grund der festgelegten Elektrizitätsmengen die AKWs ohnehin in einem ähnlichen Zeitrahmen abgeschaltet worden. Evtl. wegen des zeitweisen Abschaltens für Reparaturen, Nachrüstungen usw. nur wenige Jahre später als zum vorgesehenen Abschalttermin. Wichtiger wäre es gewesen, wenn die jeweiligen Regierungen die Energiewende vorher vernünftig geplant hätten, anstatt nur wahllos „herumzuwurschteln“.

Die nachfolgende Tabelle wurde von hier übernommen. Die 3., 5. und 8. Spalte wurden neu hinzugefügt und alle Elektrizitätsmengen (EM) wurden auf eine Stelle hinter dem Komma gerundet.

Laufzeiten

1. Sp. 2. Sp. 3. Sp. 4. Sp. 5. Sp. 6. Sp. 7. Sp. 8. Sp.
Anlage EM ab
1.1.2000
EM ab
1.1.2011
EM neu EM ab
1.1.2013
Leistung Beginn des
Leistungs-
Ende des
Leistungs-
  (TWh) (TWh) (TWh) (TWh) (MW) betriebs betriebs
             
Obrigheim 8,7 ---- ---- ---- ---- 01.04.1969 (11.05.2005)
Stade 23,2 ---- ---- ---- ---- 19.05.1972 (14.11.2003)
Biblis A 62,0 4,3 68,6 2,2 1225   26.02.1975    06.08.2011
Neckarwestheim 1 57,4 0,2 51,0 0,0 840 01.12.1976 06.08.2011
Biblis B 81,5 9,5 70,7 7,8 1300 31.01.1977 06.08.2011
Brunsbüttel 47,7 11,0 41,0 11,0 806 09.02.1977 06.08.2011
Isar 1 78,4 3,6 55,0 2,0 912 21.03.1979 06.08.2011
Unterweser 118,0 13,6 79,1 11,2 1410 06.09.1979 06.08.2011
Philippsburg 1 87,1 9,9 55,8 8,5 926 26.03.1980 06.08.2011
Grafenrheinfeld 150,0 41,9 135,6 23,4 1345 17.06.1982 31.12.2015
Krümmel 158,2 88,2 124,2 8,8 1402 28.03.1984 06.08.2011
Gundremmingen B 160,9 50,2 125,8 30,0 1344 19.07.1984 31.12.2017
Philippsburg 2 198,6 80,5 147,0 59,5 1468 18.04.1985 31.12.2019
Grohnde 200,9 81,6 150,4 61,0 1430 01.02.1985 31.12.2021
Gundremmingen C 168,4 58,5 126,9 39,0 1344 18.01.1985 31.12.2021
Brokdorf 217,9 94,1 146,3 74,1 1480 22.12.1986 31.12.2021
Isar 2 231,2 104,8 144,7 81,7 1485 09.04.1988 31.12.2022
Emsland 230,1 109,1 142,3 87,3 1400 20.06.1988 31.12.2022
Neckarwestheim 2 236,0 120,6 139,8 99,3 1400 15.04.1989 31.12.2022
Summe   2516,2  881,6  1804,2  686,3 12696+
Mülheim-Kärlich 107,3 99,2 99,2
Gesamtsumme 2623,5 980,7   785,5

Tabelle: 1. Spalte: Namen der AKWs; 2. Spalte: Elektrizitätsmengen (EM), wie sie unter der rot-grünen Regierung mit den EVUs vereinbart worden sind; 3. Spalte: Bis Ende 2010 noch nicht verbrauchte Elektrizitätsmengen (EM) von der 2. Spalte; 4. Spalte: Die im „Förderfondsvertrag“ vorgesehenen zusätzlichen Elektrizitätsmengen (EM). Diese wurden inzwischen wieder gestrichen; 5. Spalte: Bis Ende 2012 noch nicht verbrauchte Elektrizitätsmengen (EM) von der 2. Spalte; 6. Spalte: elektrische Leistung der 17 AKWs; 7. Spalte: Beginn des kommerziellen Leistungsbetriebs; 8. Spalte: Zeitpunkt, an dem das AKW spätestens vom Netz genommen werden muss.
+ bei der Summe in der 6. Spalte: ohne die endgültig abgeschalteten AKWs
Quellen: 1. , 2. und 7. Spalte, 3. Spalte, 4. Spalte, 5. Spalte, 6. Spalte , 8. Spalte

Wenn man mit dem Cursor auf die 6. Spalte „Leistung“ geht, wird die geschätzte erzeugte Strommenge pro Jahr angezeigt.
1 TWh/a = 1 000 000 000 kWh/a = Strom für ca. 250 000 Dreipersonen-Haushalte
z. B. Biblis A : 8,8 TWh/a, Strom für ca. 2,2 Millionen Haushalte

Die Abschaltung nach Strommengen (EM), am Beispiel des AKWs Grafenrheinfeld:
Noch ab 1.1.2013 erlaubte EM (5. Sp.): 23,4 TWh, pro Jahr erzeugte EM (6. Sp., mit dem Cursor draufgehen): 9,7 TWh/a, noch erwartete Betriebsdauer: 23,4 / 9,7 = 2,4 Jahre, also bis zum 31. Mai 2015. Durch Stillstand des AKWs z. B. wegen Reparaturen und durch Übertragung von EM von anderen AKWs kann sich das Abschalten des AKWs nach hinten verschieben. Auf Grund des neuen Gesetzes ist der letzte Zeitpunkt der 31.12.2015.
Die 4. Spalte zeigt die kurz vor dem Fukushima-Unglück von der Schwarz-Gelben Bundesregierung geplante Erhöhung der EM.
Hier als Beispiel wieder das AKW Grafenrheinfeld:
Danach wäre die erlaubte EM in der 3. Sp. (bzw. 5. Sp.) um 135,6 TWh erhöht worden. Damit wäre die erwartete Betriebsdauer um ca. 135,6 / 9,7 = 14 Jahre verlängert worden, also bis zum 31. Mai 2029 anstatt bis zum 31. Mai 2015. Dies ist nun aber hinfällig geworden.

Das AKW Mülheim-Kärlich spielt eine Sonderrolle /Link/. Da es nur 13 Monate in den Jahren 1986-1988 in Betrieb war und im September 1988 aufgrund einer fehlerhaften(?) Genehmigung abgeschaltet wurde, hätte u. E. das Land Rheinland-Pfalz die Kosten für dieses AKW tragen müssen. Man hat sich als Schadensersatz wohl darauf verständigt, dass dafür eine EM von 107 TWh zugestanden wird, die auf andere Anlagen übertragen werden darf. Davon sind z. Z. 99 TWh noch nicht übertragen.

Nach der derzeitigen Gesetzeslage muss Deutschland ab dem 31.12.2022 ohne eigene Kernkraftwerke auskommen. Bis dahin muss das Stromnetz einschließlich Stromspeicher so flexibel gestaltet sein, dass es die stark schwankenden Stromeinspeisungen der regenerativen Energien im Hinblick auf den Stromverbrauch bewältigen kann. Eine zurzeit noch schwierige (wenn nicht gar ungelöste) Aufgabe, wenn nicht an Stelle der Atomkraftwerke Kohle- und/oder Erdgaskraftwerke treten sollen.

Nach dem jetzigen Stand der Technik müssen genügend große Kraftwerke vorhanden sein, die je nach Anforderung schnell herunter- und hochgefahren werden können, um die Schwankungen der regenerativen Energien ausgleichen und damit das Netz stabil halten zu können. Das sind also teure Kraftwerke, die u. U. nur selten laufen werden, die aber der Stromkunde letztendlich bezahlen muss. Einen Vorgeschmack dafür liefern schon die momentanen Strompreiserhöhungen. Der Gesetzgeber wird u. E. nicht umhin kommen, auch den Betreibern von Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen einen Teil des Stromabnahmerisikos aufzubürden - zumindest für Neuanlagen. Laut Koalitionsvertrag ist angedacht - wenn auch nur nebulös -, das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu reformieren.

Wegen der Aktualität noch ein paar Worte zur beantragten Leistungserhöhung für die beiden Blöcke des AKWs Gundremmingen. Dies hängt u. E. mit dem Atomausstieg insofern zusammen, als die AKWs vor ihrem Abschalten noch möglichst viel Strom liefern sollen.

Beantragt wurde eine elektrische Leistungserhöhung von jeweils über 20 MW, also um etwa jeweils 2 % der heutigen elektrischen Leistung von je 1344 MW. Dazu soll der Durchsatz erhöht werden, während Reaktorbetriebsdruck und -temperatur unverändert bleiben. - Jede Änderung in einem AKW setzt eine gutachterliche Stellungnahme voraus. Durch den höheren Durchsatz können die Rohrleitungen stärker ins Schwingen geraten und die Armaturen (z. B. Pumpen) werden u. E. etwas stärker belastet. Außerdem wird u. E. der Neutronenfluss im Reaktor leicht erhöht werden müssen, was zu einer schnelleren Versprödung der Reaktorwand führt. All dies kann zu einer Verkürzung der Lebensdauer der Anlage führen. Da die Anlage aber sowieso vor ihrer Lebensdauer von 40 bis 60 Jahren abgeschaltet werden soll, würde hier u. E. eine Verkürzung der Lebensdauer keine Rolle spielen, so dass wir keinen Grund sehen würden, die Leistungserhöhung nicht zu genehmigen.

Unabhängig davon hat aber Prof. Renneberg in der Studie /Link/ vom 12.11.2013 diverse Sicherheitsmängel bei den beiden Blöcken des AKWs Gundremmingen aufgelistet. Da Prof. Renneberg mit der Materie eng vertraut ist, müssten sich u. E. Fachleute der Atomaufsicht mit der Studie befassen und prüfen, ob die Sicherheit der beiden Blöcke bis Ende 2017 bzw. 2021 gewährleistet ist. Z. B. würde das Fehlen von Rekombinatoren, um bei einem Störfall Wasserstoffexplosionen zu verhindern, ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko darstellen. Wir hätten es begrüßt, wenn Prof. Renneberg dazu mit den Behörden zusammengearbeitet und so jeden Anschein vermieden hätte, dass er mit seiner Studie nur seine Auftraggeber „bedienen“ wollte.
11.12.2013 gmr

Ergänzung vom 12.01.2014: Der Betreiber des AKWs Gundremmingen hat seinen Antrag auf Leistungserhöhung auf Grund des Widerstandes aus der Bevölkerung und der ablehnenden Haltung der bayerischen Staatsregierung, sowie der politischen Parteien Mitte Dezember 2013 zurückgezogen.
 
 

Nachtrag vom 09.04.2014:

Vorzeitige Abschaltung des AKWs Grafenrheinfeld

Die Firma E.ON plant, das AKW Grafenrheinfeld bereits Ende Mai 2015 abzuschalten. Wenn E.ON - wie vom Gesetz vorgesehen - das AKW erst am 31.12.2015 abschalten würde, müssten im Juni 2015 Brennelemente ausgetauscht werden. Wegen der dann anfallenden Kernbrennstoffsteuer wäre dies ein Verlustgeschäft für E.ON. Der Netzbetreiber TenneT und die bayerische Landesregierung glauben, dass es zu keinen Lieferengpässen kommen wird, obwohl bis dahin die HGÜ noch nicht fertiggestellt sein wird. Allerdings geht der Netzbetreiber davon aus, dass er einen höheren Aufwand treiben muss, um trotz des dann fehlenden Stromes aus dem AKW das Netz stabil zu halten.
09.04.2014 gr

 

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