Demonstrationsrecht = Grundrecht!

Bundespolitik

(Mit einem Nachtrag vom 16.06.2013)

Kompakt:

  • Die Zahl der Demonstrationen nimmt immer mehr zu. Stuttgart 21 und Wendland sind hier nur die Spitze.
  • Die Ursache liegt neben den konkreten Anlässen wohl auch an der zunehmenden Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der derzeitigen Regierung, unter anderem auch wegen der Ignorierung von Anliegen der Bürger.
  • Es ist das Recht der Bürger, dagegen zu demonstrieren. Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht und darf nicht angetastet werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine Demonstration friedlich verläuft.

Das Volk steht auf und zwar in Massen. Dies ist für deutsche Verhältnisse neu und ungewohnt zugleich. Die Protestierenden kommen aus allen Schichten unserer Gesellschaft. Alle Altersgruppen und viele unpolitische Gruppierungen, auch aus kirchlichen Kreisen, sind vertreten. Vor allem junge Menschen haben oft ein hohes Maß an Gerechtigkeitsempfinden. Sie äußern kreativ und deutlich ihre Meinung und setzten sich für wichtige Angelegenheiten mit Nachdruck ein.

Doch wenn große Menschenmassen zu Demonstrationen angemeldet sind und auch kommen, reagieren staatliche Institutionen oft überreizt, letzthin so geschehen in Stuttgart mit großem Polizeiaufgebot. Teilweise waren die Beamten von weither beordert und u. E. unnötig aggressiv.

Ähnlich verlief die Sache im Wendland: Massen protestierender Menschen und ein hohes Aufgebot an Polizei. Es blieb hier jedoch relativ friedlich. Manche Bilder von den Demonstrierenden waren sogar amüsant. Nur die Polizeibeamten waren bis an ihre Grenzen belastet.

Wer soll nun die Kosten dafür übernehmen? Das Land Niedersachsen, der Bund oder alle Bundesländer gemeinsam? Da ist sicher noch einiger Streit zu erwarten. Aus den Unionsparteien kam die Idee: Die Demonstranten sollen den Polizeieinsatz zahlen /Link/.

Aber wer hat die Leute „auf die Palme gebracht“? Fast ein Jahr lang hat die derzeitige schwarz-gelbe Regierung - außer sich zu zanken und gegenseitig zu beschimpfen - nicht viel getan bzw. erreicht. Und jetzt nach der Sommerpause wird „durchregiert“, mit Karacho. Die Vorhaben werden durchs Parlament „geboxt“, so schlimm, dass es dem Bundestagspräsidenten Lammert (CDU) schon fragwürdig erscheint. Und er ermahnte die Bundesregierung, das Parlament nicht so zu missachten /Link/.

Viele Menschen können und wollen das nicht mehr hinnehmen. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Das Volk ist der Souverän. Das jedoch scheinen die jetzigen Regierenden total vergessen zu haben:

  • Es werden in einseitigen Verträgen die Laufzeiten der Kernkraftwerke (AKWs) verlängert, zu Lasten der Allgemeinheit. Die Menschen fühlen sich getäuscht, übergangen und verkauft. Die Gesetze scheinen nur noch von den Bossen der Großkonzerne und aus deren Chefetagen diktiert zu werden, d. h. vom Kapital: „Wer das Geld hat, hat die Macht!“. Merkel sprach von einer „Revolution“. Und die hat sie nun. Die Menschen lassen sich das nicht mehr bieten.
  • Außerdem sehen sie und beklagen den sozialen Abbau. Von „sozialer Kälte“ ist die Rede. Betrachten wir die unsoziale Gesundheitspolitik mit „Kopfpauschale“ und die unsoziale Arbeitspolitik. Nur wenige Menschen schaffen es, bis 65 Jahre in einem Arbeitsverhältnis zu sein. Vor allem im tertiären Bereich (Dienstleistungen) und bei Leiharbeit werden nur geringe Löhne gezahlt. Arbeitnehmer werden regelrecht ausgebeutet. Die deutsche Wirtschaft profitiert hauptsächlich vom Export, d. h. unsere Handelsbilanzen sind unausgeglichen und das kann auf Dauer keiner Volkswirtschaft gut tun. Der so genannte „Aufschwung“ kommt bei den Menschen unten kaum an und sie können daher auch für keine gesunde Binnennachfrage sorgen, denn ihnen fehlt das Geld für Konsumgüter. Es reicht bei vielen so gerade für das Nötigste. Das Gros der Schwarz-Gelben scheint dies wenig zu tangieren. Die hier genannten sind nicht ihre Klientel. Vielleicht sollten sich die „Schwarzen“ doch einmal auf ihre christlichen Wurzeln bzw. Ethik besinnen.
  • In Stuttgart gehen Jung und Alt auf die Straße, weil sie nach langen Jahren der Planung nun, da das Projekt begonnen werden soll, erkennen, dass es offenbar wesentlich teurer wird als vorher veranschlagt war und auch die technischen Fragen (Wasser im Untergrund) nicht befriedigend gelöst sind. In Staufen hatten schon scheinbar einfache Bohrungen im Erdreich fatale Folgen für den ganzen Ort gehabt. Nicht auszudenken, wenn der ganze Untergrund in Stuttgart durch den unterirdischen Bahnhof in Bewegung kommt. Das ist den Menschen so vorher nicht gesagt worden. Es ist nicht das Geld der Firmen, sondern das der Steuerzahler, das so „verbraten“ werden soll und dann an anderer Stelle fehlen wird. Und das wollen die Leute nicht!

Auch Politiker der Unionsparteien sollten wissen:

Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht und in unserem Grundgesetz verankert. Es ist Ausdruck des demokratischen Handelns. Es ist also ein gutes Recht der Bürger, sich „friedlich“ „unter freiem Himmel“ (Art. 8 GG), d. h. auf öffentlichem Grund, zu versammeln und ihre Meinung kundzutun, solange nicht unser Grundgesetz missachtet wird. Allerdings sollten die Demonstrierenden respektieren, dass es in einer Demokratie auch andere Meinungen geben kann.

Dieses Recht der Versammlungsfreiheit würde untergraben, wenn die Demonstranten für den Polizeieinsatz aufkommen müssten. Das ist Sache des Staates. Doch Sachbeschädigung und der Aufruf dazu haben nichts mit dem Demonstrationsrecht zu tun. Die Betreffenden können und sollten dafür zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso wenig sind u. E. Blockaden auf privatem Grund (z. B. Bahngelände) vom Demonstrationsrecht gedeckt. Wir halten auch Blockaden auf öffentlichem Grund für nicht zulässig, aber hier kann man geteilter Meinung sein, zumal sich dort bei Demonstrationen gewisse Behinderungen nicht vermeiden lassen.

Ein Protestzug, auch wenn er den Verkehr behindert, ist aber keine Blockade, sondern eine vom Grundgesetz erlaubte Demonstration. Das gilt auch dann, wenn der Protestzug längere Zeit an einer Stelle stehen bleibt und sich die Teilnehmer dabei auch auf die Straße setzen, wenn mehrere Redner die Ziele der Demonstration verkünden. So etwas kann sich schon mehrere Stunden hinziehen. Die Bürger müssen sich gegen das Machtgehabe Regierender artikulieren können. Der Übergang eines Verweilens an einer Stelle und einer Blockade sind fließend. Im Wendland kann man von Blockaden sprechen, weil es hier darum ging, den Castortransport möglichst lange aufzuhalten. Und das ist aus unserer Sicht nicht mehr rechtens.

Es hat sich gezeigt, dass bei Großprojekten die Bürgeranhörung nicht ausreichend ist, weil die damit verbundene Möglichkeit, einen Konsens mit den Betroffenen zu erreichen, oft durch Tricks hintertrieben wird. Hier wäre die Möglichkeit einer Volksabstimmung hilfreich. Wenn die Bevölkerung dann dem Projekt zustimmt, müssen die Planungen – und auch die Kosten, wenn öffentliche Gelder davon betroffen sind – so weit wie möglich eingehalten werden.

Viele Probleme würden vermutlich erst gar nicht entstehen, wenn Politiker mehr auf die Bürger als auf Lobbyisten hören würden und sich selber keine „Denkmäler“ setzen wollten. So wissen wir heute noch nicht, ob sich die damaligen CDU-Größen Erwin Teufel, Manfred Rommel, Matthias Wissmann, Hermann Schaufler sowie die ehemaligen Bahnchefs Heinz Dürr und später Hartmut Mehdorn /Link/ sowie die Landesregierung nur ein „Denkmal“ setzen wollten und ob nicht Immobilienspekulanten auf freiwerdendes Bahngelände setzten oder ob wirklich an das Wohl der Menschen gedacht wurde.
14.11.2010 mr
 
 

Nachtrag vom 16.06.2013

Am Samstag, den 01. Juni 2013, hatte die Polizei in Frankfurt ca. 900 Personen, die an der Blockupy-Demonstration /Link/ in Frankfurt/Main vor der EZB teilnahmen, teilweise bis zu 9 Stunden eingekesselt. Mehrere Rechtswissenschaftler sind der Meinung, dass der sehr harte Einsatz der Polizei unverhältnismäßig war. Die von der Polizei behaupteten Verstöße gegen Strafgesetze und gegen das Vermummungsverbot trafen nur für wenige Demonstranten zu und nur hier hätte die Polizei eingreifen dürfen oder müssen. „Sonnenbrillen und Regenschirme sind keine Vermummung“, so der Staatsrechtler Christoph Gusy in der FAZ /Link/. - Auch Pressevertreter wurden von der Polizei angegriffen /Link/.

Aus unserer Sicht liegt hier ein massiver Verstoß gegen Artikel 8 des Grundgesetzes (GG) vor. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht in jeder Demokratie.

Wir haben den Verdacht, dass die hessische Landesregierung (CDU-FDP-Koalition) die Konzentration der Bevölkerung und der Medien auf das Elbe- und Donau-Hochwasser benutzt hatte, um unbemerkt eine unliebsame Demonstration gegen die EZB im Keim zu ersticken. Gottlob sind SPD, Grüne und Medienvertreter aber wachsam geblieben, so dass dieser Vorfall doch noch ein politisches Nachspiel haben wird.

Wir meinen, dass Blockupy-Demonstrationen und andere Aktionen gegen Machenschaften der Banker weiterhin unbedingt notwendig sind. Z. B. sind Finanz-Lobbyisten gerade dabei, Versuche der Politik, den Hochfrequenzhandel einzuschränken, zu untergraben. Bedenklich finden auch einige Finanzexperten, dass die EZB unbeschränkt Staatsanleihen aufkaufen kann, was zum einen nicht ihre Aufgabe ist und wofür zum andern Deutschland u. U. haften muss, ohne dass die Abgeordneten des Bundestages vorher gefragt werden. Deshalb verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsklage zu diesem Thema /Link/.
16.06.2013 r

 
 

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