15 Fördermaßnahmen gegen Alten­diskriminierung

15.1 Förderung durch die EU

In Anbetracht des demografischen Wandels – zurückgehende Zahl der jüngeren Erwerbsfähigen in Verbindung mit der steigenden Anzahl der erwerbsfähigen Menschen zwischen 50 und 65 – wird es erforderlich, die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu fördern, um den sich aus dem Demografiewandel erwachsenden vorausgesagten Fachkräftemangel abzuschwächen. Hierin besteht für die älteren Beschäftigten die Chance, stärker und länger in den Arbeitsprozess integriert zu werden und Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren. Es sind daher vielfältige Maßnahmen in den politischen, gesellschaftlichen, betrieblichen und auch individuellen Bereichen zur Vermeidung von Benachteiligungen und Diskriminierungen älterer Beschäftigter erforderlich.

Seitens der Europäischen Kommission erfolgte der Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Erweiterung der bisherigen Richtlinien auch außerhalb des Arbeitsmarktes, um weitere Fortschritte der Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit in den Bereichen des Sozialschutzes, Gesundheitsdienstes, Bildung sowie Zugang zu Gütern, Dienstleistungen und Wohnraum zu erzielen. Diese neue Richtlinie soll 2009 von dem Rat der EU beschlossen werden.

Die Europäische Kommission startete europaweit eine Aufklärungskampagne „Für Vielfalt – Gegen Diskriminierung“, mit der das Bewusstsein und das Selbstverständnis für Antidiskriminierung auf europäischer wie auch nationaler Ebene gefördert werden soll /Link/.

Mit dem Gemeinschaftsprogramm „PROGRESS “ verfolgt die EU das Ziel, gemeinsame soziale und wirtschaftliche Werte für einen gerechten Zugang für Beschäftigung und Gleichstellung im Alltag mit allen Mitgliedstaaten zu erreichen /Link/. Mit der Sozialagenda 2005 – Beschäftigung und Soziales – bekräftigt die EU das Bemühen, Wirtschaft-, Sozial- und Beschäftigungspolitik in Einklang zu bringen, um aus der EU „den wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. In dem Programm Progress nimmt der Bereich der Antidiskriminierung einen breiten Raum ein: „Diskriminierung untergräbt in hohem Maße die Errungenschaften der EU in den Bereichen Beschäftigung und Sozialschutz und wirkt sich negativ auf die soziale Eingliederung und Kohäsion aus. Die EU hat den Weg geebnet, um aus Europa eine gerechtere Gesellschaft zu machen, da sie der Auffassung ist, dass alle Europäer ein Recht auf Gleichbehandlung und ein Leben ohne Diskriminierung – zwei grundlegende Prinzipien, auf die sich die EU stützt – haben.“

15.2 Nationale Bestrebungen

Durch die „Reformpolitik für mehr Arbeit und Beschäftigung“ der Bundesregierung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) /Link/ sollen die Beschäftigungschancen Älterer konkret verbessert werden durch Maßnahmen in einem Bündnis von Politik, Unternehmen, Gewerkschaften, Sozialverbänden und weiterer Institutionen.

Die „Initiative 50plus“ /Link/ für 2008 bis 2010 soll mehr Arbeitsplätze schaffen durch die Einführung eines Kombilohnes für Ältere wie auch Zahlung von Eingliederungszuschüssen, damit möglichst viele Beschäftigte bis zum Erreichen der Altersgrenze arbeiten können. Dazu zählen Weiterbildungsmöglichkeiten ebenso wie altersgerechte Arbeitsbedingungen, Gesundheit am Arbeitsplatz und technischer Arbeitsschutz. Bei dieser Initiative arbeiten die Beteiligten in Netzwerken zusammen und berücksichtigen die jeweiligen regionalen Unterschiede.

Das laufende Programm der Bundesagentur für Arbeit zur „Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“ (WeGebAU) /Link/ soll durch Förderleistungen dazu beitragen (Übernahme von Weiterbildungskosten für ältere Beschäftigte ab dem 45. Lebensjahr), die beruflichen Kompetenzen für un- oder angelernte Beschäftigte zu erhöhen, um auf diese Weise Entlassungen zu verhindern.

Nicht zuletzt kann der Betriebsrat aufgrund seiner sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz /Link/ ergebenden Einflussmöglichkeiten gezielt auf die Verbesserung der Beschäftigungschancen Älterer hinwirken (§ 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen, § 80 Allgemeine Aufgaben, § 96 Förderung der Berufsbildung, § 102 Mitbestimmung bei Kündigungen, §112 Interessenausgleich über die Betriebsänderung, Sozialplan).

Neben der sinkenden Arbeitslosenquote in 2008 hat sich die Erwerbstätigenquote der 55- bis 65-Jährigen von 37,7 % im 2. Quartal 1998 auf gut über 50 % im 2. Quartal 2008 erhöht und übertrifft damit das Lissabon-Ziel von 50 %. Für das Jahr 2010 strebt die Bundesregierung eine Zielmarke von 55 % an.

Auch die Frühverrentungsmöglichkeit wurde durch die Heraufsetzung der Altersgrenze (von 60 auf 63 Jahre) für den frühest möglichen Renteneintritt nach Altersteilzeit und Arbeitslosigkeit für die nach 1952 Geborenen im Zusammenhang mit der Initiative 50plus abgeschafft. Alle vor dem 01.01.1952 Geborenen, die bis zum 01.01.2004 bereits ihre Frühverrentung mit dem Arbeitgeber vereinbart haben, genießen Vertrauensschutz. Gewisse Erwartungen werden ebenfalls an das Auslaufen der Altersteilzeit nach 2009 gestellt. Des Weiteren stellt die sukzessive Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre durch das Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 30.04.2007 /Link/ eine nicht zu verkennende Maßnahme zur Förderung der Erwerbstätigkeit älterer Beschäftigter dar, wobei einerseits die Frage offen bleibt, ob überhaupt in dem Maße Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, andererseits kommt die Erhöhung der Regelaltersgrenze faktisch einer Rentenkürzung gleich.

Den Betrieben in Wirtschaft und Verwaltung obliegt in diesem Zusammenhang eine besondere Verantwortung. Sie bestimmen die betriebliche Personalpolitik und entscheiden über die Arbeitsgestaltung, die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes und über Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Dem Problem des höheren Krankheitsrisikos der Älteren kann durch eine entsprechende Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsförderung entgegengewirkt werden.

Anhand eines Beispiels im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten „Demographie-Initiative“ /Link/ soll dargestellt werden, in welcher Weise Konzepte zur Vermeidung und Bewältigung der Probleme der demografischen Entwicklung auf betrieblicher Ebene dazu beitragen können, ggf. auftretenden Diskriminierungen entgegen zu wirken. Die Demografie-Initiative ist ein Projekt zur Förderung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) und des Zentralverbandes der Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) auf Initiative des Bundesministeriums Bildung und Forschung. Neben den allgemeinen betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten werden gerade für ältere Beschäftigte dargestellt:

  • Gleichstellung zwischen Jung und Alt,
  • Berufsbegleitende Fort-, Weiter- und Ausbildungen, Teilnahme an Workshops (training on the job),
  • Hilfe bei arbeits- und alternsbedingtem Leistungsmangel,
  • Berufsbegleitende Ausbildung für Un- und Angelernte aus Produktion und Montage mit hohem Anteil von Älteren,
  • Angebote zur Erhaltung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit – von Anpassungsqualifizierung über Personalentwicklung, Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsförderung, Sozialklima (Job-Rotation zwischen Arbeitsplätzen mit unterschiedlichen Belastungen und Qualifikationsanforderungen zur Verhinderung von Verschleiß durch Einseitigkeit und Förderung des kontinuierlichen Mitlernens),
  • Einführung von Mitarbeitergesprächen zur individuellen Förderung,
  • Strategien des lebenslangen Lernens,
  • Einführung von Wissensmanagement (Transfer von Erfahrungswissen unabhängig vom Status im Betrieb),
  • Altersgemischte Belegschaftsstrukturen und generationenübergreifende Personalkonzepte,
  • Kultur der Gleichstellung und gegenseitigen Wertschätzung.

Die an der Demografie-Initiative teilgenommenen Unternehmen zeichnen sich durch verantwortungsvolles Handeln aus, indem sie Arbeitsplätze sichern und für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Perspektiven im Unternehmen schaffen.

Initiative Neue Qualität der Arbeit - INQA
INQA /Link/ ist eine Gemeinschaftsinitiative aus Bund, Ländern, Sozialpartnern, Sozialversicherungsträgern, Stiftungen und Unternehmen, die sich das Ziel gesetzt hat, die sozialen Interessen der Beschäftigten an gesunden und gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen mit den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen zu verbinden. Durch Wissenstransfer zu relevanten Themen wie u. a. auch zur Diskriminierung will INQA die öffentliche Debatte anregen, z. B. durch „Älter werden im Berufsleben“ (Toolbox), und „Alle Beschäftigten sind gleich, nur Männer sind gleicher.“ INQA unterstützt in diesem Sinne innovative Projekte und veröffentlicht gute praktische Lösungen. Seit Gründung der Initiative im Jahr 2002 haben sich zahlreiche Netzwerke aus der Initiative heraus gegründet und entwickelt.

15.3 Individuelle Erfordernisse

Im Hinblick auf die zukünftigen Anforderungen in der Arbeitswelt steht es in der Selbstverantwortung jedes Einzelnen, sich der Notwendigkeit zur Weiterbildung und Weiterqualifizierung zu stellen. Dabei sollte die Eigeninitiative jedes Einzelnen mit der Verantwortung der Arbeitgeber für betriebliche Kompetenzentwicklung Hand in Hand gehen. Nur das lebenslange Lernen ermöglicht es, längerfristig mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Das ist insbesondere bei Qualifizierungsanforderungen entscheidend, die sich aus den Informations- und Kommunikationstechniken sowie der verstärkten Globalisierung der Wirtschaft ergeben. Dabei kann Lernen als Chance angesehen werden, auch im höheren Alter die eigenen Potenziale zu nutzen und weiterzuentwickeln, um vor allem die Wettbewerbsfähigkeit im Beruf zu erhöhen. Nicht weniger trägt auch das intergenerationelle Lernen dazu bei, die Anstrengungen des Lernens im Austausch mit den jüngeren Arbeitskräften als notwendige Bedingung für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit und als persönlichen Schutzfaktor zum Erhalt der kognitiven Fähigkeiten anzusehen.

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