Zu 1: Neufassung des § 339 StGB

Vorschlag der Professoren Bemmann, Seebode und Spendel für die Neufassung des § 339 StGB (Rechtsbeugung):

§ 339 (1) Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, der bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zuungunsten eines Beteiligten das Recht verletzt, wird wegen Rechtsbeugung mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn das Recht durch eine schwere Menschenrechtsverletzung, durch Verhängung einer in einem unerträglichen Mißverhältnis zur Straftat stehenden Strafe oder so gebeugt ist, daß ein Beteiligter einen besonders großen Schaden erlitten hat. (ZRP 1997, Heft 8, Seite 308)

Aus unserer Sicht sollte man die Strafe für minder schwere Fälle noch niedriger ansetzen. Wesentlich ist, dass der durch ein falsches Urteil Geschädigte dann ggf. eine Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO erheben kann.

In der NS-Zeit hatten viele Richter ohne Rechtsgrundlage harte Urteile gegen diejenigen gefällt, die sich gegen den NS-Staat gestellt hatten. So wurden Menschen zum Tode verurteilt, die bei einer „freiwilligen“ Sammlung nichts gegeben hatten. Urteilsbegründung: Sie haben das Vertrauen des „Führers“ missbraucht. Es hätten also nach 1945 viele Richter wegen Rechtsbeugung (und Mord) verurteilt werden müssen. Der Bundesgerichtshof (BGH) - vermutlich im eigenen Interesse – legte den § 339 StGB so aus, dass nicht die begangene Rechtsbeugung allein zur Verurteilung ausreiche, sondern dass der betreffende Richter sich auch der Rechtsbeugung „bewusst“ gewesen sein muss. Da aber die Richter glaubten, dass der vermutete „Führerwille“ über den damaligen Gesetzen stehe, konnten sie sich der begangenen Rechtsbeugung nicht bewusst gewesen sein. Dieser Linie, Richterkollegen nie wegen Rechtsbeugung im Amt zu verurteilen, ist der BGH treu geblieben, nur seine Begründung dafür hat er inzwischen geändert.

Frau Dr. Anja Schiemann analysierte in ihrem Aufsatz „Rechtsbeugung durch den Strafrichter – Der Fall Schill“ den Fall des Strafrichters Schill vor dem BGH und kommt zum Fazit:
Auch diese Entscheidung des BGH zeigt wieder, wie schwer sich das Gericht damit tut, einen Kollegen der Rechtsbeugung schuldig zu sprechen. Dabei ist die Entscheidung nur konsequent im Hinblick auf eine immer gleichbleibend restriktive Auslegung des Rechtsbeugungstatbestands. Dies mag auch ein wenig daran liegen, dass die Strafdrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe die Urteilenden äußerst senibel werden lässt. Zu Recht hat Tröndle in einer Vorauflage seines Kommentars zum Strafgesetzbuch darauf hingewiesen, dass eine aufsehenerregende und unrichtige Entscheidung den Richter noch nicht in den Verbrechensverdacht bringen darf25. Trotzdem dürfen die Anforderungen an die subjektive Seite nicht überspannt werden, lehren uns doch zahlreiche Entscheidungen deutscher Gerichte, wie schnell innerhalb anderer Straftatbestände subjektive Merkmale einfach zugeschrieben werden26. Dass dies nicht richtig ist, ist eine Seite, dass dies offenbar nur für einen einzigen Straftatbestand erkannt und abgelehnt wird, die andere. (NJW 2002, Seite 114)

Auch der bekannte Strafanwalt Rolf Bossi, München, schreibt in seinem Buch „HALBGÖTTER IN SCHWARZ“ auf Seite 24: Die Hypothek der Nazizeit wurde nie getilgt.
Dieses „zweierlei Recht“ für Richter und für alle übrigen Menschen sehen wir als Ursache dafür, dass es um unseren Rechtstaat so schlecht bestellt ist. Ganz abgesehen davon, dass unser Grundgesetz kein solches „zweierlei Recht“ vorgesehen hat.
03.01.2011 gmr

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