Scheinargumente

(Ergänzende Überarbeitung am 22.07.2009)

Politiker (leider auch in den eigenen Reihen anzutreffen), die eines oder mehrere der folgenden Argumente gegen Kernkraft benutzen, zeigen damit, dass es ihnen nicht um die Sache geht, sondern nur um Ideologie:

  • Wenn Energiekonzerne Kernkraftwerke betreiben, die schon abgeschrieben sind, dann ist das wie eine Lizenz zum Gelddrucken. - Wir sollten froh darüber sein, wenn Energiekonzerne viel Geld verdienen, denn dann können sie die Kernkraftwerke sicherer machen, die radioaktiven Abfälle entsorgen, ihre Stromnetze erneuern und vor allem einen wesentlichen Beitrag zum Betrieb der – immer noch sehr kostspieligen – erneuerbaren Energien leisten.
    Es ist allerdings Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die zusätzlichen Gewinne aus den abgeschriebenen Kernkraftwerken nicht in den Taschen der Manager und Aktionäre verschwinden. Und ebenso ist es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die vier großen Energieunternehmen nicht ihre Dominanz ausnutzen können, um den Strompreis hochzuhalten (Kartellrecht).
  • In Bayern mit einem hohen Anteil von Kernenergie ist der Strom besonders teuer. - Die elektrische Energie wird analog zu Rohstoffen auf Strommärkten eingekauft, so dass der Strompreis nicht unbedingt etwas mit dem wahren Preis der Stromerzeugung zu tun haben muss. Für den privaten Normalverbraucher sind die Stromerzeugungskosten der geringste Anteil der Stromrechnung. Außerdem werden die Stromerzeuger die sehr hohen indirekten Subventionen (gesetzlich festgeschrieben im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)) für erneuerbare Energien auf ihre Stromkunden abwälzen.
  • Kernenergie verhindert das Stromsparen. - Weshalb? Kann man nicht trotz Kernkraftwerken weniger Strom verbrauchen?
  • Der Steuerzahler hat die Atomenergie schon mit vielen Milliarden Euro subventioniert. - Das ist richtig. Aber wenn etwas mit viel Geld subventioniert worden ist und dann funktioniert, sollte man das auch nutzen, damit der Steuerzahler von der Subvention einen Nutzen hat!
  • Die Atomkraft-Lobby will Gewinne privatisieren und Verluste kollektivieren: Die Folgekosten der Atomenergie (z. B. Endlagerung) soll der Steuerzahler übernehmen. - Warum eigentlich will unsere Regierung das nicht unterbinden, statt die Atomenergie gleich ganz abzuschaffen. - Banken haben gerade ihre Verluste auf die Steuerzahler abgewälzt. Deshalb kann man die Banken nicht abschaffen, aber ihre Tätigkeit muss strenger geregelt und wirksamer überwacht werden. Außerdem sind die Gelder - wenn möglich - wieder an den Staat zurückzuzahlen. Genauso muss der Staat dafür sorgen, dass alle Kosten der Kerntechnik von den Kernkraftwerksbetreibern bezahlt werden.
  • Kernbrennstoffe werden nicht wie Öl, Gas und Kohle besteuert. - Warum nicht?
  • Kernkraft kann nie ganz sicher sein. - Bei jeder Technik müssen die Vorteile letztendlich die Risiken überwiegen, sonst muss man sie fallen lassen. Die Kernkraft bietet als einzige erprobte Technologie den Vorteil der CO2-armen Stromgewinnung im großen Maßstab rund um die Uhr, unabhängig von Klima- bzw. Wetterbedingungen, (wie bei der Photovoltaik und Windkraft). Man muss hier auch die möglichen langfristigen Risiken einer Zunahme der CO2-Konzentration abwägen, die heute unbekannt sind. Der Unfall in Tschernobyl kann dabei nicht auf die westlichen Kernkraftwerke übertragen werden. Bei dem Reaktor in Tschernobyl wurden gegen besseres Wissen eine Reihe sehr schwerwiegender Fehler gemacht, wobei jeder für sich allein schon unverantwortlich war. Gründe dafür waren aus unserer Sicht: Kostenersparnis (Sicherheitseinrichtungen wurden einfach weglassen), mangelnde technische Fertigkeiten, militärische Erwägungen und Obrigkeitshörigkeit. Die Einhaltung von Sicherheitsstandards bei den Kernkraftwerken westlicher Bauweise hat bisher verhindert, dass es trotz diverser Störfälle zu einem Unfall mit gefährlichen Auswirkungen für die Menschen kam. Aus unserer Sicht muss mit der Kernenergie verantwortungsvoll umgegangen werden, sonst ist ihre Nutzung in der Tat nicht vertretbar.
    Verantwortungsvoll heißt auch: Wenn alte Kernkraftwerke die notwendigen Sicherheitsstandards nicht mehr erfüllen sollten, sind diese durch neue und sicherere Kernkraftwerke zu ersetzen, anstatt nur nach Vorwänden zu suchen, die Kernkraft insgesamt zu diffamieren. - Würde in unserer Gesellschaft mit dem Thema Kernkraft offener umgegangen, würden sich auch die unsinnigen Taktierereien und Tricksereien mit der Übertragung von Restlaufzeiten von jüngeren auf ältere Kernkraftwerke erübrigen.
  • Vorfälle und Sicherheitslücken in Kernkraftwerken sind die Normalität. - Wenn man nur die Anzahl der Meldungen an die zuständigen Behörden nimmt, könnte bei Nichtfachleuten dieser Eindruck entstehen /Link/. Beispielsweise wurden im letzten Jahr bei arbeitenden Kernkraftwerken 85 Ereignisse (Vorfälle) gemeldet. Von diesen wurde nur ein Ereignis (ein Leck) im Kernkraftwerk Philippsburg 1 (KKP-1, Rhein /Link/) als „Störung“ des Betriebs (Stufe 1 auf der INES-Skala) eingestuft. Die anderen Ereignisse mussten zwar gemeldet werden, hatten aber die Sicherheit nicht beeinträchtigt. Trotz der hohen Zahl der Meldungen haben sich damit die Kernkraftwerke in Deutschland im Jahr 2008 als sehr sicher erwiesen.
    In Deutschland wurde völlige Transparenz bzgl. Störungen in Kernkraftwerken eingeführt. Jede kleinste Leckage oder Störung beim Betrieb ist zu melden und wird im Internet veröffentlicht. Das bedeutet aber andererseits, dass solche Meldungen richtig einzuordnen sind und nicht zum Durchsetzen eigener Interessen (Panikmache) missbraucht werden dürfen.
  • Die Erzeugung von Kernenergie setzt ähnlich viel CO2 frei wie Kohlekraftwerke. - Ist schlichtweg falsch! Auch wenn man den Bau der Kernkraftwerke mit einbezieht.
  • Im Normalbetrieb wird Radioaktivität abgegeben. - Wir leben schon seit Millionen von Jahren in einer Welt mit Radioaktivität (bestimmte Mineralien, Radon, radioaktiver Kohlenstoff, Höhenstrahlung). Hinzu kommen neuere Quellen für radioaktive Strahlung wie das K40 (vorhanden im Beton), die Röntgenstrahlen in der Medizin, die radioaktiven Stoffe in der Nuklearmedizin und die vermehrte Höhenstrahlung auf Langstreckenflügen, ohne dass dadurch ein Schaden erkennbar ist, solange die Grenzwerte eingehalten werden. Die von den Kernkraftwerken nach außen abgegebene Strahlung dagegen ist geringfügig.
  • Kernkraftwerke erhöhen das Risiko zur Leukämie. - Keine Studie, die das beweisen sollte, hat bisher einer kritischen Prüfung standgehalten.
  • Umweltschäden und Missbildung bei Tieren durch Kernkraftwerke - Hat ebenfalls nie einer Überprüfung standgehalten.
  • Kernkraftwerke kosten viel Geld, die sonst in die Forschung der regenerativen Energieerzeugung fließen könnte. - Das Gegenteil ist richtig: Gerade mit dem relativ billigen Strom aus Kern- und Braunkohlekraftwerken subventionieren die Energieversorger z. B. die vom Gesetz geforderte hohe Einspeisevergütung für Strom aus der Photovoltaik.
  • Hätte man früher die regenerative Energieerzeugung statt die Kernenergie im großen Stil subventioniert (bzw. deren Erforschung), so hätten wir heute schon oder zumindest in naher Zukunft unseren Energiebedarf auf umweltfreundliche Art decken können. – Allgemein gilt: Wenn man immer wartet, bis es etwas Besseres gibt, hätten wir heute weder Kernenergie noch Photovoltaik, noch sonst eine moderne Errungenschaft. Die friedliche Nutzung der Kernenergie erschien um 1960 im Bereich des sinnvoll Machbaren, die Photovoltaik im großen Stile erst 2000. Es war also 1960 irrelevant, Geld in die großtechnische Anwendungsforschung der Photovoltaik zu stecken, weil man damals noch nicht wusste, ob das überhaupt funktionieren wird.
  • Die Endprodukte aus Kernkraftwerken können für den Bau von Atomwaffen verwendet werden. - Ein Staat, der nach Kernwaffen strebt, wird immer Wege finden, an das dafür erforderliche spaltbare Material zu kommen. Dazu braucht er keine Kernkraftwerke zu bauen.
  • Wir brauchen keine Kernenergie, wenn wir die regenerative Energieerzeugung richtig ausbauen. - Bis das soweit ist, wenn das überhaupt irgendwann der Fall sein wird, brauchen wir noch die fossilen Brennstoffe und/oder die Kernenergie.
  • Es droht keine Stromlücke, wenn Deutschland aus der Kernenergie aussteigt. - Das ist richtig, wenn genügend Kohlekraftwerke gebaut werden und/oder der Strom aus dem Ausland (zum Teil aus Atomkraftwerken) eingekauft wird. Die erneuerbaren Energien lassen sich nicht von jetzt auf gleich ausbauen, da dazu noch Forschung in großem Umfang notwendig ist.
  • Die Endlagerfrage ist nicht geklärt. - Das ist richtig. Hier sind die Betreiber der Kernkraftwerke und die verantwortlichen Politiker in der Pflicht, konstruktiv an einer Lösung zu arbeiten. Mit der bisherigen Hinhaltepolitik aus allen politischen Lagern, je nach Interessenlage, werden wir nie ein ordentliches Endlager haben. - Mehrere Endlager sind durchaus denkbar!
  • Salzstöcke sind unbrauchbare Orte zur Endlagerung. - Leider haben die dafür verantwortlichen Politiker, Fachleute und Firmen in der Vergangenheit schwer geschludert, so dass dieser Eindruck entstehen kann. Auch die SPD ist hier in der Pflicht und sollte sich nicht aus der Verantwortung stehlen, indem sie einfach gegen alles ist. Solche Schlampereien wie im Salzbergwerk Asse dürfen sich nicht wiederholen. Das radioaktive Material muss in spezieller Weise verglast werden (Glas ist chemisch stabil) und dann in dichten und korrosionsfesten Fässern kontrolliert eingefüllt werden. Diese Fässer sind dann kontrolliert in einer dafür geeigneten Salz- und/oder Gesteinsformation (Urgestein) unter Beachtung physikalischer Gegebenheiten (z. B. ausreichende natürliche Wärmeabfuhr) abzulegen und die Zwischenräume sind zu verfüllen. Es muss dazu eine genaue Dokumentation erstellt werden, welche radioaktiven Substanzen und wie sie in die Fässer gefüllt wurden und wo diese Fässer abgelegt worden sind.
  • Die Energiekonzerne bilden riesige Rücklagen für die Entsorgung der Kernkraftwerke, um damit Steuern zu sparen. Oder: Die Kernenergie ist nur deshalb so billig, weil die Entsorgung der Kernkraftwerke einschließlich der verbrauchten Brennstäbe nicht berücksichtigt wird. - Hier widersprechen sich Politiker vollends. Sinnvoll ist doch, dass die Energiekonzerne ausreichende Rücklagen für die Entsorgung bilden. Nur Gelder, die dann nach der Entsorgung evtl. noch übrig bleiben, müssten dann als Gewinn versteuert werden.
  • Schlagzeile: „Uran-235 hat eine Halbwertszeit von 703 Millionen Jahren“ oder so ähnlich. - Uran ist seit der Entstehung unseres Planeten vor rund 4,5 Milliarden Jahren vorhanden. An einigen Stellen kommt es in mehr oder weniger höheren Konzentrationen und in Spuren fast überall auf der Erde vor. Uranerz (Pechblende) wird wie z. B. Eisenerz in Bergwerken abgebaut und nach einer komplizierten Aufbereitung in Brennstäben für Kernkraftwerke verwendet. Uran ist also als natürliches Mineral bei uns vorhanden und daher sehen wir es als reine Panikmache an, mit solchen Zahlen in großen Lettern den Menschen Angst einzujagen. Beim Abbau des Uranerzes sollten weltweit akzeptierte Umweltstandards eingehalten werden, um Gesundheits- und Umweltschäden zu vermeiden. – Mehr Sorge machen den Fachleuten bei Kernkraftwerken nicht das Uran, sondern die neu entstehenden Elemente mit wesentlich kleineren Halbwertszeiten, weil diese auf Grund ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften wesentlich gefährlicher als Uran-238 und Uran-235 sind. Über diesen Problemkreis sollte mit Sinn und Verstand diskutiert werden.
  • Die Mehrheit in Deutschland lehnt Atomkraft ab. - Das mag sein. Das liegt aber ähnlich wie bei der Gentechnik nicht an der Kerntechnik selbst, sondern daran, dass Politiker und Lobbyisten den Menschen weiszumachen versuchen, mit den regenerativen Energien könnten wir in Kürze (in 1, 10 oder in 100 Jahren??) unseren Energiebedarf decken.

Ein verantwortungsvoller Politiker sorgt dafür, dass nicht aus kosten- oder juristischen(!) Gründen die Sicherheit von Kernkraftwerken beeinträchtigt wird. Natürlich können bei unsachgemäßem Betrieb große Schäden entstehen, aber dies gilt auch für andere Methoden der Energieerzeugung. Hier seien nur die heute noch vollkommen unvorhersehbaren Folgen der Umweltverschmutzung für die Zukunft erwähnt.
Es ist durchaus legitim, Überlegungen dazu anzustellen, ob das Risiko, dass Radioaktivität bei einem unvorhergesehen Ereignis (beim Betrieb eines Kernkraftwerkes oder bei der Lagerung der Rückstände) unkontrolliert nach außen gelangen könnte, höher ist als der Vorteil, den die Einsparung von fossilen Brennstoffen bringt. In dieser Frage kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, aber Diskussionen darüber sollten sachlich und fair geführt werden.
26.05.2008 mit Ergänzungen vom 22.07.2009

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