Lehrermangel in Deutschland

Bundespolitik

(Mit Nachträgen vom 05.12.2008, 31.03.2009 und 28.04.2009)

Man glaubt es kaum. Wieder so etwas, das über unser „armes Deutschland“ herein bricht, vergleichbar mit einer Naturkatastrophe, so als käme es Gottgegeben über uns. - Nein, so ist es nicht. Es ist m. E. das Ergebnis einer verfehlten Bürokratie, sozusagen einer „Planwirtschaft“.

Gegen Ende der 70-er Jahre des verflossenen Jahrhunderts prognostizierte mir ein Verwaltungsbeamter des mittleren Dienstes einer Schulaufsichtsbehörde in NRW, dass sich schon zu diesem Zeitpunkt abzeichnete, dass Ende der 90-er Jahre oder Anfang des neuen Jahrtausends mit einem akuten Lehrermangel zu rechnen sein wird, die „hohen Herrn“ das aber nicht erkennen wollen. Es sei ein Politikum und ginge, wie so häufig, nur ums Geld.

Lehrer, die die Zustände eines sich immer stärker abzeichnenden Lehrermangels anmahnten, wurden schon gar nicht gehört. Mit solchen und weiteren Problemen aus dem Schulbereich durfte ein einzelner beamteter Lehrer nicht an die Öffentlichkeit gehen.

Diese Probleme wurden „gelöst“ mit Streichungen von Ermäßigungsstunden für Korrekturfächer, wie beispielsweise Deutsch, Einführung von zusätzlichen, unbezahlten Vertretungsstunden für ausgefallene Kollegen, mit zusätzlichen Pausenaufsichtszeiten und und und. Es war eine schleichende, indirekte Verlängerung der Arbeitszeit, bei gleichbleibenden Bezügen. Hinzu kamen Beihilfekürzungen für die gesundheitliche Versorgung. Die Öffentlichkeit bekam davon so gut wie nichts mit, denn Beamte dürfen nicht protestieren oder gar streiken.

Junge Lehrer wurden zwar immer noch ausgebildet, gerade auch als Referendare an den Schulen. Sie mussten dann in den 80-er/90-er Jahren immer mehr zusätzliche Stunden in eigener Verantwortlichkeit übernehmen, die jedoch nur mit ihrem Referendarsgehalt abgedeckt waren. In den Schuldienst wurden nur die Besten übernommen; diejenigen, die nicht so gut abgeschnitten hatten, mussten sehen, wo sie unterkamen.

Aber auch manche hervorragende Studenten der Pädagogik bzw. Referendare, die die „Mühle“ kennen gelernt und frühzeitig „durchschaut“ hatten, entschieden sich für Zweitstudien oder wurden von der Wirtschaft abgeworben und verschwanden beispielsweise in deren Personalbüros oder als Coaches … .

Die Lehrer, die schon länger da waren und viele von ihnen aus Passion, hielten durch und versuchten so gut mit den ihnen anvertrauten Schülern zu arbeiten, wie sie konnten, auch unter den immer schlimmer werdenden Bedingungen und das besonders an den Hauptschulen (HS), die von der Gesellschaft und Politik immer mehr zu einer „Restschule“ verkommen lassen wurde. Es gab kaum noch Gelder für Lehr- und Lernmittel. Die Lehrer dieses vernachlässigten, weiterführenden Schultyps versuchten das Beste für ihre Schüler und ihre Schule daraus zu machen. Es ging so weit, dass sie nicht nur Arbeitsmittel selbst herstellten und/oder kauften, sie sorgten auch dafür, dass die Klassenräume ansprechend und „wohnlich“ gestaltet wurden. So waren sie nicht nur Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter, für manche ihrer Schüler waren sie schon so etwas wie Elternersatz. Nicht selten überstieg das ihre physischen und psychischen Kräfte, was dann in manchen Fällen zu einem Burnout führte. Viele dieser Lehrer fielen dann aus, manchmal für immer. Einige meiner Kollegen haben sogar das 60. Lebensjahr erst gar nicht erreicht.

Hauptschüler nach der 10. oder gar 9. Klasse in ein Ausbildungsverhältnis überzuführen, war manchmal direkt vergleichbar mit einem Akrobatenakt und zwar selbst dann, wenn das Zeugnis gar nicht so schlecht war. Sogar das Handwerk, beispielsweise Schreinereien, nahmen lieber Abiturienten.

In manchen Bundesländern versuchte man, den Schultyp HS in Gesamtschulen (GS) aufgehen zu lassen und inzwischen ist die HS in manchen Bundesländern abgeschafft worden oder es wird ernsthaft darüber nachgedacht, sie abzuschaffen.

Hier in Bayern hält die Staatsregierung weiterhin an der HS fest. Aber ist ihr Image in der Bevölkerung hier besser? Welche Chancen haben die Schulabsolventen?

Wie steht es mit dem Ansehen der Lehrer - aller Schultypen - in der Öffentlichkeit? Sind Lehrer nicht manchmal wirklich die „Fußabtreter“ der Nation? Was sollen sie nicht alles können und auch machen und ersetzen? Und das bei der verhältnismäßig dürftigen Bezahlung. Welcher vergleichbare Akademiker würde unter diesen Bedingungen, bei der Arbeitszeit und der Bezahlung arbeiten? Ich verzichte an dieser Stelle, Vergleiche mit verschiedenen Branchen anzustellen.

Entweder wird die Hauptschule wie eine Sonderschule gefördert oder sie sollte in einer der anderen weiterführenden Schultypen (=>Realschule oder gar Gesamtschule (Sek. I)) aufgehen.
24.11.2008 Maria Schmidt


Nachtrag vom 05.12.2008:

„SPD-Bildungsexperte Pfaffmann: Vernichtendes Urteil des Rechnungshofs zur Schulpolitik der alten CSU-Staatsregierung
Würde sich ein Beschäftigter im Öffentlichen Dienst oder ein Lehrer solch grobe Fehler leisten, wären disziplinarische Verfahren bis zur Entlassung die Folge …“

Weiteres dazu auf der Seite unseres SPD-Bildungsexperten Hans-Ulrich Pfaffmann
(Nachtrag dazu vom 13.01.2011: /Link1/, /Link2/)


Nachtrag vom 31.03.2009:

Die DPG hat bemängelt, dass die Länderregierungen immer mehr Physiker und Ingenieure ohne pädagogische Ausbildung als Gymnasiallehrer einstellen. "Im Mittelpunkt steht hier die Unterrichtsabdeckung – nicht die Unterrichtsqualität."


Nachtrag vom 28.04.2009:

Ein alarmierender Frontal21-Bericht: „Notstand im Klassenzimmer Hilfslehrer müssen einspringen“

 
 

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