Gaskraftwerke versus Netzausbau & Speicherkraftwerken?

Sind Gaskraftwerke eine Alternative zum Netzausbau und zu Pumpspeicherkraftwerken?

Wie schon mehrfach erwähnt, ist es zum Ausbau der Stromerzeugung mittels Photovoltaik und Windkraft unbedingt erforderlich, dass das Stromnetz immer mehr ertüchtigt wird, um Stromschwankungen vom Sekundenbereich bis zu Monaten zu beherrschen. Der Ausbau der regenerativen Stromerzeugung hat zur Folge, dass konventionelle Kraftwerke zurückgebaut werden und dadurch nicht mehr zur Anpassung des Stromangebots an den Bedarf zur Verfügung stehen. Es sind also neue Strategien zu entwickeln, um Stromangebot und -nachfrage ständig in Übereinstimmung zu bringen. Um die Stromschwankungen der Photovoltaik- und Windkraftanlagen auszugleichen, gibt es folgende Möglichkeiten:

  1. Netzausbau, so dass die elektrische Energie möglichst gut verteilt werden kann.
  2. Stromspeicher
  3. Ersatzkraftwerke
  4. Umwandlung der elektrischen Energie in andere langzeitspeicherbare Energieformen
  5. Steuerung des Stromangebots
  6. Steuerung des Verhaltens der Stromkunden

Bei jedem dieser Wege sind technische Herausforderungen zu meistern. Daneben gibt es in vielen Fällen Widerstände aus der davon betroffenen Bevölkerung. Die Politik neigt dann oft dazu, den scheinbar bequemsten Weg zu wählen. Zum Ziel, preisgünstig Strom aus regenerativen Energiequellen zu nutzen, wird u. E. aber nur ein geeigneter Mix aus allen o. g. Möglichkeiten führen können.

Zurzeit kursiert in Süddeutschland die Idee, dass der Bau von ausreichend vielen Gaskraftwerken als Ersatzkraftwerke die Stromspeicher und die HGÜs überflüssig machen würden. Unserer Meinung nach ist diese Idee ein Irrweg. Offensichtlich wollen Politiker mit diesem Vorschlag die Proteste vor allem in Bayern eindämmen, um so ihren Machterhalt zu sichern. Die sinnvolle technische und ökonomische Machbarkeit scheinen sie dabei außer Acht zu lassen. Das Schlimme jedoch ist, dass damit Weichenstellungen für die Zukunft falsch getroffen werden.

Natürlich könnte man überall vor Ort Gaskraftwerke als Ersatzkraftwerke bauen, die den Strom ergänzen, der gerade zu wenig aus Photovoltaik oder Windkraft kommt. Fällt zu viel Strom an, müssten Windräder oder Photovoltaikmodule abgeschaltet werden. Regelzeiten unter einer halben Stunde müssten von Pumpspeicherkraftwerken in Österreich und/oder Batteriespeichern wie in Schwerin übernommen werden, da Gaskraftwerke nur Stromschwankungen von über einer halben Stunde ausgleichen können. Längere Windflauten würde man wie bisher mit Kohlekraftwerken überbrücken müssen.

Unsere Bedenken:

  • Diese Lösung ist teuer, weil die Gaskraftwerke dann nur kurze Zeit arbeiten und sich deshalb nicht amortisieren würden. Außerdem ist Gas teuer und wird an anderen Stellen dringender gebraucht, z. B. zum umweltfreundlichen Heizen. Gaskraftwerke sind zwar wesentlich umweltfreundlicher als Kohlekraftwerke, aber Kohlendioxyd und giftige Stickoxyde erzeugen sie ebenfalls. Bei Gas sind wir auch stärker als bei Kohle von einzelnen Staaten abhängig. Ca. 38 % des Gases kam 2013 aus Russland /Link, pdf, 473 KB/. Geprüft werden müsste auch, ob das Gasnetz überhaupt das dann benötigte Gas liefern kann. Der Ausbau des Gasnetzes ist ebenfalls aufwändig, nur die Rohre liegen in der Erde und fallen in der Landschaft kaum auf.
  • Wesentlicher erscheint uns aber, dass die angestrebte „Energiewende“ gerade darin bestehen soll, fossile Kraftwerke ab- und nicht wieder aufzubauen. Wir wollen ja von Gas, Erdöl und Kohle wegkommen und auf Windkraft und Photovoltaik umstellen. Wenn jetzt aber wieder auf fossile Kraftwerke umgestellt werden soll, anstatt den (geplanten) Windstrom u. a. von der Nordsee herzuleiten, wird das Projekt „Energiewende“ unterlaufen.
  • Außerdem muss die Regelleistung irgendwo für Schwankungen unter einer halben Stunde erbracht und bezahlt werden, vielleicht in Tschechien, Österreich und Frankreich (das wären kürzere Leitungen als quer durch Europa bis nach Norwegen). Das Gelingen der Energiewende in Deutschland darf nicht davon abhängen, wie weit es die Nachbarstaaten dulden, dass wir ihre Stromnetze nutzen und dass sie uns mit Kohle- und Atomstrom aushelfen.
  • Außerdem befürchtet die Industrie, dass die Versorgungssicherheit darunter leidet und Firmen deshalb ihren Standort nach Norden oder sogar ins Ausland verlagern müssten.
  • Eine EU-Studie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Sonderweg in Süddeutschland teurer wird, als das Stromnetz auszubauen.
  • Da es nicht zumutbar ist, dass die Stromkunden ganz Deutschlands für den neuerlichen Seehofer-Schwenk zahlen sollen, wurde vorgeschlagen, Deutschland in zwei Preiszonen zu teilen und für Süddeutschland die EEG-Umlage entsprechend zu erhöhen /Link/.

Alles in allem, es sieht nicht so aus, als ob die Idee mit den Gaskraftwerken vorher von den zuständigen Fachministerien geprüft worden ist.

Wie schon öfters gesagt, sind wir der Meinung, dass nur, wenn alle sechs o. g. Möglichkeiten genutzt werden und der Umbau der Stromversorgung nicht überstürzt wird, ein sinnvoller Übergang zu den regenerativen Energieformen geschafft werden kann. Wenn der Umbau langsamer erfolgen würde als bisher, könnten die Netzbetreiber z. B. Erfahrungen mit HGÜs als Erdkabel sammeln, billigere Batteriespeicher und Pumpspeicherkraftwerke an dafür geeigneten Standorten bauen. Zukünftig darf es auch keine Zusagen mehr geben, dass der Strom aus Windkraft und Photovoltaik immer zu 100 % abgenommen wird, sondern nur noch beispielsweise zu 80 %. Schließlich müssen Wege gefunden werden, wie Verbraucher sich dem Stromangebot anpassen können. Z. B. wäre es bei Waschmaschinen, Wäschetrockner, Küchenherde u. ä. sinnvoll, wenn diese von einem intelligenten Stromzähler („smart meter“) gestartet werden könnten. Wenn man die o. g. Möglichkeiten 2 bis 6 sinnvoll nutzt, müsste das Stromnetz nicht in dem Maße ausgebaut werden, wie es jetzt erforderlich wäre, wenn wir überstürzt Atomkraft- und Kohlekraftwerke abschalten wollen und planlos den Ausbau von Photovoltaik und Windkraft fördern. Es wäre wichtig, dass sich Fachleute wie die der Netzagentur eine sinnvolle Vorgehensweise überlegen und dann nicht immer wieder einzelne Gruppen und Politiker aus der Reihe tanzen würden. Dann könnte die „Energiewende“ gelingen.

Zum Abschluss noch die Mär vom abgasfreien Gaskraftwerk

Aus Kreisen einer bekannten Umweltorganisation wird behauptet, dass der Bau eines abgasfreien Gaskraftwerks möglich sei. Dazu müsse zunächst der Sauerstoff aus der Luft herausgeholt werden. Der Sauerstoff wird dann mit dem Erdgas verbrannt und mit den heißen Abgasen eine Turbine, wie bei einem normalen Gaskraftwerk, betrieben. Bei der Verbrennung entstehe dann nur Wasserdampf und Kohlendioxyd (CO2), da ja der Stickstoff fehle. Anschließend wird der Wasserdampf zu Wasser kondensiert und das entstandene Kohlendioxyd in Hohlräumen unter der Erde endgelagert. Das Trennen des Sauerstoffes und des Stickstoffes der Luft wird heute schon industriell durchgeführt, um die beiden Gase dann an die Industrie zu verkaufen. Diese Trennung ist aber sehr energieaufwändig und wird deshalb z. B. auch in modernen Kohlekraftwerken unterlassen. Außerdem, ob die Verbrennung wirklich ohne giftige Abgase verläuft, ist nicht sicher, es können zwar keine Stickoxyde entstehen, aber evtl. giftige Kohlenwasserstoffe und Verbrennungsprodukte mit den Inertgas-Anteilen des Erdgases. Für die Endlagerung des Kohlendioxyds gilt das gleiche wie beim CO2-armen Kohlekraftwerk.

Einen Beitrag zum Energiespeicher findet sich in der Zeitschrift „Physik Journal“, 2014, Heft 10 /Link/.
11.10.2014 gr

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