Im April 1911 entdeckte der Physiker Heike Kamerlingh Onnes bei seinen Tieftemperaturexperimenten an der Universität Leiden (Niederlande), dass Quecksilber bei ca. 4 K über dem absoluten Nullpunkt (minus 273 °C) seinen Widerstand verliert. Dies kam völlig unerwartet für die Wissenschaft. Man erkannte bald, dass einige Metalle wie Blei oder Zinn ihren elektrischen Widerstand bei genügend tiefen Temperaturen komplett verlieren, also „supraleitend“ werden. Man kann durch solche Drähte völlig verlustfrei Strom schicken.
Anfangs brach große Euphorie aus, weil man dachte, man könne nun bald elektrischen Strom verlustfrei über weite Strecken leiten. Es stellte sich aber heraus, dass diese Metalle nur supraleitend sind, wenn sie tief heruntergekühlt werden und wenn das Magnetfeld, dem sie ausgesetzt sind, klein genug ist. Wenn aber ein Leiter von einem Strom durchflossen wird, erzeugt der Strom ein Magnetfeld. Wenn der Strom zu hoch wird, wird auch das Magnetfeld zu groß und die Supraleitung bricht zusammen. Bei den normalen Supraleitern (Supraleiter erster Art) geschieht dies bei relativ kleinen Strömen, d. h. sie sind für technische Anwendungen völlig unbrauchbar und die Euphorie wich der Ernüchterung.
Später entdeckte man die Supraleiter zweiter Art, die sich als wesentlich stabiler gegenüber Magnetfeldern erwiesen, so dass sie für technische Anwendungen eingesetzt werden konnten, z. B. für den Bau von Spulen zur Erzeugung von starken Magnetfeldern (z. B. für medizinische Geräte).
Eine Hürde bei der Anwendung als Stromkabel bestand darin, dass der supraleitende Draht auf die Temperatur von flüssigem Helium (ca. minus 270 °C) abgekühlt werden musste. Dies verhinderte z. B. den Bau von wirtschaftlich arbeitenden supraleitenden Stromleitungen. Die Situation änderte sich 1986, als Supraleiter (spezielle chemische Verbindungen) mit Sprungtemperaturen Ts (= die Temperatur, oberhalb der die Supraleitung schlagartig verloren geht und der Leiter den normalen Widerstand annimmt) zwischen 30 K und 40 K (-243 °C und -233 °C) entdeckt wurden. Angeregt durch diesen Erfolg setzte eine Suche nach Supraleitern mit noch höheren Sprungtemperaturen ein. Schließlich gelang es, Materialien zu entdecken, deren Sprungtemperaturen über der Temperatur von flüssigem Stickstoff (Ts = 77 K = -196 °C bei Normaldruck) liegen - eine wesentliche Voraussetzung für den Einsatz in einem Stromkabel. Für das Kabel in Essen kommt vermutlich Bi2Sr2Ca2Cu3O10 (BSCCO) (Ts = 110 K = -163 °C) oder YBa2Cu3O7 (YBCO) (Ts = 92 K = -181 °C) zum Einsatz. Eine Herausforderung ist, dass diese Supraleiter spröde sind, aber trotzdem zu einem Kabel verarbeitet werden sollen. Hier ist wohl das Knowhow der Firma Nexans gefragt.
Bei jedem Supraleiter ist der maximale Strom, der durch den Supraleiter fließen darf, durch die sogenannte kritische Stromstärke begrenzt. Dies hängt, wie oben erläutert wurde, mit dem Magnetfeld, das beim Fließen des Stromes entsteht, zusammen. Man muss bei einem solchen Kabel großen Aufwand betreiben, sodass z. B. auch im Falle eines Kurzschlusses dieser kritische Strom nie überschritten bzw. der Strom sofort abgeschaltet wird. Eine weitere Gefahr ist, dass durch eine lokale Erhitzung im Leiter – z. B., wenn die Kühlung kurzzeitig nicht überall funktioniert – die Supraleitung zusammenbricht. Dies kann zur Zerstörung des Kabels führen. Die Tests in Essen müssen also auch zeigen, dass das Supraleiterkabel betriebssicher betrieben werden kann.
Für die Anwendungen wäre eine Substanz, die schon bei Raumtemperatur supraleitend ist, hohe Magnetfelder verträgt und in Stromkabeln verarbeitet werden kann, ideal. Leider konnte unseres Wissens in den 100 Jahren nach Entdeckung der Supraleitung – trotz vieler Fortschritte - keine umfassende Theorie zur Supraleitung entwickelt werden, die es ermöglicht, gezielt nach Supraleitern zu suchen, so dass man weiterhin auf das Ausprobieren von Materialien bzw. Materialverbindungen angewiesen bleibt.
Quellen:
Wikipedia
Kurzer Überblick (pdf-Datei, 302 KB)
Seminarvortrag (pdf-Datei, 357 KB)
23.01.2012 r