Zum Ausbau der Photovoltaik

Im Artikel „Energiewende - ja, aber nicht so und nicht hier“ wird von uns die Meinung vertreten, dass der weitere Ausbau der Photovoltaik nur noch dann einen Sinn hat, wenn die elektrische Energie besser gespeichert werden kann als zurzeit. Im Folgenden wird anhand einiger beispielhafter Zahlen die Problematik erläutert.

Die nachfolgende Tabelle zeigt in der 2. Spalte die zur Stromerzeugung installierte Leistungen in GW am 16.10.2013 in Deutschland, in der 3. Spalte den erzeugten Strom in TWh im Januar 2014 und in der 4. Spalte die mittlere Stromerzeugung pro Monat im Jahr 2013. In der ersten Zeile „Solar“ ist die Zahl „8 TWh“ in der 5. Spalte der auf Basis der bisherigen Erfahrung zu erwartende Wert für die Stromerzeugung im Juli 2014.
(Alle Werte in der Tabelle wurden gerundet und sind nur als grobe Richtwerte anzusehen. Genauere Werte siehe unter „Quelle“.)

 

1. Spalte 2. Spalte     3. Spalte     4. Spalte     5. Spalte
  Leistung         Strommenge    
      Jan. 2014     Mittelwert     Juli 2014
 
Solar 36 GW     1 TWh     2,5 TWh     8 TWh
Wind 33 GW     6 TWh     3,9 TWh
Gas 27 GW     4 TWh     3,3 TWh
Steinkohle 25 GW     10 TWh     9,2 TWh
Braunkohle 21 GW     12 TWh     12,1 TWh
Kernenergie 12 GW     8 TWh     7,7 TWh
Biomasse 7 GW     5 TWh     3,6 TWh
Wasserkraft 4 GW     1 TWh     1,3 TWh
Summe 165 GW     47 TWh     43,6 TWh
 
Verbraucher 60 GW     45 TWh     46,7 TWh
Export     2 TWh     2,6 TWh
 
Speicher 7 GW     (0,04 TWh)

Quelle

 

Unterschied zwischen (elektrischer) Leistung und erzeugtem bzw. verbrauchtem Strom
Beispiel: Jemand plant, sein Einfamilienhaus elektrisch zu beheizen. Um auch im strengen Winter die Wärmeverluste ausgleichen zu können, soll die Heizung insgesamt eine Leistung von 20 kW haben. Im Haus befinden sich noch weitere Geräte mit insgesamt 5 kW, die gleichzeitig eingeschaltet werden können. Der Stromversorger muss also eine Leitung ins Haus verlegen, die in der Lage ist, jederzeit eine Leistung von 25 kW zur Verfügung zu stellen, so dass die Hausbewohner stets frei entscheiden können, ob die Heizung und die Geräte ausgeschaltet, teilweise eingeschaltet oder alle eingeschaltet sein sollen.
Der Stromverbrauch dagegen richtet sich danach, wie die Heizung und die Geräte wirklich benutzt werden. Z.B.: Die Heizung ist an einem Tag acht Stunden lang nur mit halber Heizleistung (also 10 kW) und die Geräte sind sechs Stunden lang mit 3 kW eingeschaltet. Der Stromverbrauch beträgt dann 10 kW • 8 h + 3 kW • 6 h = 80 kWh + 18 kWh = 98 kWh. Falls 1 kWh 0,25 Euro kostet, fallen an diesem Tag 98 • 0,25 = 24,50 Euro Stromkosten an. Zusätzlich berechnet der Stromversorger noch die Pauschale für einen Netzanschluss von 25 kW Leistung. Diese Pauschale wird auch in Rechnung gestellt, wenn überhaupt kein Strom verbraucht wird.

Vergleich der Leistungen (2. Spalte der Tabelle)
Ein erster Blick erweckt den Eindruck, dass in Deutschland Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 165 GW bereitstehen, während nur eine Leistung von 60 GW benötigt wird. Man könnte deshalb glauben, dass wir zu viele Kraftwerke haben. Eine genauere Betrachtung zeigt aber, dass es, wenn die Sonne untergegangen ist, keinen Solarstrom gibt und dass gleichzeitig auch Windstille herrschen kann. Dann stehen nur noch Kraftwerke mit einer Leistung von 27 + 25 + 21 + 12 + 7 + 4 = 96 GW zur Verfügung. Aber auch die tatsächliche Leistung dieser Kraftwerke ist wegen des möglichen Ausfalles einzelner Kraftwerke (z. B. wegen Wartung) geringer als die theoretisch mögliche. Als Beispiel folgende Situation: Gas 12 GW, Steinkohle 20 GW, Braunkohle 20 GW, Kernenergie 12 GW, Wasserkraft 2 GW = 66 GW. In diesem Fall würden die vorhandenen Kraftwerke noch ausreichen, um die geforderte Leistung bereitzustellen. Dann dürfen aber keine Fehler (z. B. unvorhergesehener Ausfall eines Kraftwerkes) mehr auftreten.

Wir können die Kraftwerke in folgende drei Gruppen einteilen:

Grundlastbetrieb, d. h. diese Kraftwerke laufen rund um die Uhr mit möglichst gleicher Leistung: Braunkohle 18 GW, Kernenergie 10 GW, Biomasse 7 GW, Wasserkraft 2 GW = 37 GW

Mit Vorrang betriebene Kraftwerke (aller erzeugte Strom muss abgenommen werden (EEG)): Solar bis 36 GW, Wind bis 33 GW = bis 69 GW

Als Ersatzkraftwerke betrieben (Diese können teilweise oder ganz heruntergefahren werden):
Steinkohle 25 GW, Gas 27 = 52 GW

Man kann leicht selber feststellen, dass, selbst wenn alle Ersatzkraftwerke auf null gefahren werden, im Sommer bei Sonnenschein und günstigem Wind 37 GW + 69 GW = 106 GW installierte Leistung bereitstehen würden, obwohl nur 60 GW Leistung gebraucht würden. Die Kraftwerke für den Grundlastbetrieb können nur teilweise und nicht so schnell der schwankenden Stromerzeugung angepasst werden. Zusätzlich stehen (in Deutschland) zum Ausgleich der Stromschwankungen nur 7 GW Speicherleistung zur Verfügung, so dass immer noch ein Rest von 106 GW – 60 GW – 7 GW = 39 GW verbleibt. Dieser Strom müsste „verschenkt“ bzw. „vernichtet“ werden, was zu zusätzlichen Kosten führen würde.
In der Praxis aber waren bisher immer irgendwo in Deutschland Wolken am Himmel und es gab Windflauten, so dass wir davon ausgehen, dass bisher die tatsächliche Leistung für Solar- und Windstrom zusammen 36 GW nicht überschritten haben. Dann verbliebe als Rest nur 37 GW + 36 GW – 60 GW – 7 GW = 5 GW, die „verschenkt“ bzw. „vernichtet“ werden müssten, was schon schlimm genug wäre.

Fazit: Bis zum Jahr 2013 waren nur so viele Photovoltaik- und Windkraftanlagen in Betrieb, dass deren Strom, wenn die Sonne schien und der Wind wehte, noch nahezu vollständig verbraucht werden konnte. Außerdem existieren so viele Ersatzkraftwerke, die einspringen konnten, wenn kein Wind wehte und keine Sonne schien. Falls aber die Wind- und insbesondere weitere Photovoltaikanlagen ans Netz gehen, kann in wenigen Jahren der Strom nicht mehr regulär abgenommen werden, sondern er muss „verschenkt“ oder „vernichtet“ werden.

Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen:

Weg 1: Es werden solange keine zusätzlichen Windräder (zumindest an nicht windreichen Standorten) und insbesondere keine Photovoltaikanlagen zugelassen, solange dieser Strom nicht gespeichert werden kann. D. h. zumindest die Photovoltaikanlagen müsste u. E. vorerst aus dem EEG herausgenommen werden (unter Wahrung des Bestandschutzes).
Und/oder
Weg 2: Falls zusätzliche Photovoltaikanlagen und Windräder zugelassen und subventioniert werden sollen, muss es den Netzbetreibern gestattet sein, nur den benötigten Strom abzunehmen und zu bezahlen. Das kann dazu führen, dass Besitzer solcher Anlagen nicht mehr auf ihre Kosten kommen.
Und/oder
Weg 3: Abschalten von (weiteren) Kernkraft- und Braunkohlekraftwerken, dafür müssen dann aber vorher(!) zusätzliche regelbare Steinkohle- und/oder Gaskraftwerke gebaut werden, die bereitstehen, wenn die Sonne nicht scheint und/oder der Wind nicht weht. Dazu muss auch die Versorgung dieser Kraftwerke sichergestellt werden (Ausbau des Erdgasnetzes, Kohleimporte und Kohletransporte).
Alternativ dazu kann auch die Leistungsregelung von Braunkohlekraftwerke verbessert bzw. überhaupt erst eingebaut werden, wenn das möglich ist.
Und/oder
Weg 4: überflüssiger Strom wird (weiterhin) ins Ausland „verschenkt“ und noch Geld dazu gelegt, damit das Geschenk angenommen wird, oder der Strom wird „vernichtet“. Fehlender Strom wird im angrenzenden Ausland eingekauft, z. B. für Süddeutschland in Frankreich und Tschechien.

Weg 1 ist wahrscheinlich die billigste und effektivste Lösung, verzögert aber die Energiewende, weil sie abhängig vom Bau weiterer Stromspeicher wird.
Weg 2 entschärft von selbst das Problem der Photovoltaik, weil dann keine Photovoltaikanlagen mehr gebaut werden. Oder das EEG wird umgestellt auf ein Verfahren, bei dem Stromanbieter gezwungen werden, nur einen bestimmten Anteil Ökostrom dem an Kunden gelieferten Strom beizumischen (wie z. B. in Schweden).
Weg 3 und 4 sind teure Lösungen und lassen den Strompreis weiter steigen. Der Staat wird auch nicht umhinkommen, mehr als bisher dafür zu sorgen, dass Ersatzkraftwerke hinreichend bezahlt werden. Zusätzliche Gaskraftwerke erhöhen außerdem unsere Abhängigkeit von Gasexportländern /Link/.

Wenn die Politik die bestehenden Regelungen nicht ändert, wird automatisch Weg 4 beschritten, mit der Folge, dass der Strompreis weiter ansteigen wird. Das EEG ist ein massiver Eingriff in die freie Marktwirtschaft und solche Eingriffe führen u. E. immer zu Preisverzerrungen. Dabei ist es u. E. bei der Preisbildung nicht so entscheidend, ob der Strom an der Strombörse gehandelt oder ob der Strompreis sonst wie diktiert wird. Entscheidend ist allein, dass auf Grund des EEGs zu gewissen Zeiten ein Überangebot von Solar-Strom zu hohen Kosten produziert wird und die Kosten dafür zwangsweise auf die Stromkunden umgelegt werden. Eine Preisbildung nach Angebot und Nachfrage - ein Prinzip der freien Marktwirtschaft - kann so nicht stattfinden.

Den (subventionierten) Bau weiterer Windkraftanlagen, insbesondere von Offshore-Anlagen, kann man noch vertreten. Irgendwo in Deutschland wird Wind wehen und wenn unser Stromnetz gut ausgebaut wird, kann man den dann irgendwo in der Republik erzeugten Strom auch verteilen. Eine dezentrale Stromerzeugung mit Windkraft würde aber überall in vermehrtem Maße kleinere Ersatzkraftwerke voraussetzen, die mit Gas, Holz oder Kohle versorgt werden müssten, was neben dem höheren Preis auch zu mehr Umweltverschmutzung (insbesondere durch Holz und Kohle, s. „Feinstaub…“ und „Primärenergieverbrauch“) führen würde.

Bei Photovoltaikanlagen besteht eine solche Ausgleichsmöglichkeit nicht. Abends geht überall in Deutschland fast zur gleichen Zeit die Sonne unter. Voraussetzung für einen weiteren Ausbau der Photovoltaik wären Stromspeicher, die den Solarstrom mindestens 24 Stunden speichern könnten. Diese stehen derzeit nicht zur Verfügung, so dass der weitere Ausbau der Photovoltaik u. E. vorerst sinnlos ist und nur die Stromkosten höher schraubt.

Lassen wir kurz unsere Phantasie schweifen: Die EU erstreckt sich derzeit von 28° östlicher Länge (Bulgarien, Rumänien) bis 9° westlicher Länge (Spanien, Portugal, (Irland)), also über 37 Längengrade hinweg, das bedeutet einen Unterschied in der Ortszeit von 37 • 4 min = 148 min, also von etwa 2,5 Stunden. Wenn dort auch Photovoltaikanlagen, die alle über eine HGÜ von 3000 km mit dem europäischen Netz verbunden wären, könnte die Zeit, in der Photovoltaikstrom genutzt werden könnte, ausgedehnt werden. Und wenn wir unseren Traum fortsetzen, vielleicht auch noch weiter östlich bis nach Russland hinein. Allein schon dieser Gedanke würde mehr zur Völkerverständigung beitragen, als die in Deutschland vor allem aus Bayern geschürte Angst, dass sich aus dem Osten ein Strom von „Sozialschmarotzern“ über uns ergießen würde.

Wie groß müssten jetzt schon solche Speicher sein?
Aus unserer Tabelle entnehmen wir, dass im Juli 2014 voraussichtlich ca. 8 TWh Solarstrom anfallen werden. Das sind pro Tag 8 TWh/31 = 0,26 TWh. Also fast das 7-fache von dem, was in Deutschland jetzt schon an Stromspeicher existiert. Zum Vergleich: Das geplante Pumpspeicherkraftwerk Jochberg soll 0,0042 TWh speichern können; d. h., jetzt schon müssten weitere 62 Anlagen bundesweit von der Größe wie das Speicherkraftwerk am Jochberg gebaut werden. Sollten diese Speicher vorhanden sein, könnte der Solarstrom (also die 0,26 TWh) über den ganzen Tag - an den Verbrauch angepasst - verteilt werden, das entspräche einer Leistung von 0,26 TWh/24 h = 0,0108 TW = 10,8 GW, was das Netz besser verkraften könnte, als die 36 GW (Tabelle: 1. Zeile, 2. Spalte).
Als Speicher kämen auch Lithiumbatterien, die dezentral (z. B. in Privathaushalten) betrieben werden könnten, infrage. Die Speicherkosten bei Lithiumbatterien pro kWh sind aber mindestens doppel so hoch wie die bei Pumpspeicherkraftwerken und halten nicht so lange wie letztere, dafür sind Einsparungen beim Netzausbau denkbar. Weitere Regelleistung könnte bereitgestellt werden, wenn die Biogasanlagen in Deutschland mit größeren Gasspeichern und stärkeren Generatoren ausgerüstet würden, so dass sie dann ihren Strom liefern könnten, wenn er gebraucht wird. Biogasanlagen erzeugen ca. 5 TWh pro Monat (s. Tabelle, 3. Spalte), das sind ca. 5/30 = 0,17 TWh pro Tag, also gut das 4-fache der gespeicherten Energie aller Pumpspeicherkraftwerke. Ein Potential, das u. E. unbedingt genutzt werden sollte.

Ins Gespräch gebracht werden auch Elektroautos, deren Batterien auch die Speicherfunktion für das Netz übernehmen könnten. Beispiel: 1 Million Elektroautos mit je einer Batterie mit 30 kWh Ladekapazität, ergibt 30 Million kWh = 0,03 TWh. Das ist zu wenig, um den Strom aus Photovoltaikanlagen für einen Tag zu speichern.

Zum Schluss möchten wir darauf hinweisen, dass sich unsere obigen Überlegungen auf ganz Deutschland beziehen und voraussetzen, dass das Stromnetz den Strom perfekt von jedem Ort zu jedem anderen Ort transportieren kann. Wenn dies irgendwo nicht der Fall ist, können die Verhältnisse lokal ungünstiger sein als hier dargestellt wurde.
09.03.2014 gr (letzte Änderungen am 16.03.2014)

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