Zu 3: Justizreform

Bei der Justizreform 2001 wurde u. a. der § 543 ZPO geändert. Er lautet nun:

㤠543 Zulassungsrevision
 (1) Die Revision findet nur statt, wenn sie
   1. das Berufungsgericht in dem Urteil oder
   2.  das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
  zugelassen hat.

 (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
   1.  die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
   2.  die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
 Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.“

Der Text klingt harmlos. Beim „Durchwinken“ dieses Gesetzes waren sich offenbar viele Abgeordnete des Bundestages über seine Folgenschwere nicht im Klaren. Der o. g. Gesetzestext bedeutet für Juristen: Wenn der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Sache etwas entschieden hat, darf er diese Sache, wenn sie ihm nochmals – von einem anderen Rechtssuchenden – vorgetragen wird, nicht noch einmal behandeln.

Beispiel: Ein Bauunternehmer hat viele Bauherren, die in der gleichen Stadt wohnen, in genau der gleichen Weise geschädigt. Alle Bauherren schalteten den gleichen Anwalt ein. Für jeden Bauherrn wurde der gleiche Rechtsweg beschritten, wobei alle Schriftsätze und Urteile für alle Bauherrn gleich sind. Das zuständige OLG hat alle Klagen abgewiesen, deshalb legten alle beim BGH Revision (genauer: Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim BGH) ein. Der BGH hat also nun die Aktenordner, mit den gleichlauteten Revisionsanträgen vor sich liegen. Der BGH-Richter greift den obersten Aktenordner, bearbeitet ihn und entscheidet, dass das OLG falsch entschieden habe, weil es das und das nicht beachtet habe. Das OLG muss den Fall neu entscheiden. – Dann nimmt der BGH-Richter den nächsten Aktenordner, wo dasselbe drinsteht, und weist die Revision mit der Begründung zurück, dass zwar die Entscheidung des OLG fehlerhaft war, er aber die Sache nicht annehmen dürfe, weil er das gerade schon geklärt habe und er die Sache laut § 543 ZPO (s. o.) nur einmal behandeln (d. h. grundsätzlich klären) darf. D. h. dem ersten Bauherrn widerfährt Gerechtigkeit, den andern nachfolgenden nicht, in der gleichen Sache!

Ebenso darf der BGH eine Sache nicht mehr behandeln, wenn er schon früher einmal über diese Sache entschieden hat, aber ein OLG sich ohne eine nachvollziehbare Begründung einfach über diese Entscheidung hinwegsetzt. In diesen Fällen bleibt das Fehlurteil bestehen - Rechtsstaatlichkeit hin oder her!

Z. B. wies das BGH die Beschwerde (gegen die Nichtzulassung der Revision) eines Klägers gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt / Main zurück, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung habe. Das OLG habe zwar fehlerhaft geurteilt, es reiche aber in diesem Fall, dass der BGH die OLG-Richter auf ihre Fehler hingewiesen habe /Link/. D. h., der BGH hat auf Kosten des Geschädigten den OLG-Richtern Unterricht erteilt, wie sie das nächste Mal richtig arbeiten sollen. Das Volk kann so etwas nicht verstehen, sondern hätte eine Korrektur des offensichtlich falschen OLG-Urteils erwartet.

Eingeschränkt wurden auch die Berufungsmöglichkeiten, so dass es in vielen Fällen nur noch eine Instanz gibt, die den Tatbestand feststellen und die rechtliche Beurteilung durchführen kann. Wenn hier ein Richter Fehler macht oder gar unredlich arbeitet, ist eine Korrektur fast nicht mehr möglich.

Wir meinen, es muss immer eine Korrektur von Unrecht möglich sein. Es wäre verheerend, wenn das frühere Faustrecht nur durch ein Willkürrecht durch Richter ersetzt worden wäre. Ein Rechtsstaat besteht u. E. darin, dass in der Rechtspflege Fehlleistungen einzelner Staatsanwälte und Richter korrigiert werden können.
03.01.2011 gmr

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