Plagiat ist kein Kavaliersdelikt

Allgemein

Kompakt:

  • Der Doktor-Titel ist an sich eine Bestätigung für Fähigkeiten im wissenschaftlichen Bereich.
  • Für viele bedeutet dieser Titel allerdings auch ein Symbol für Anerkennung und Anreiz für beruflichen Erfolg.
  • Dies führt dazu, dass manche versuchen, auf mehr oder weniger illegale Art diesen Titel zu erhalten, um sich die erforderlichen Anstrengungen zu ersparen.

„Was ist denn da so schlimm? Wir haben doch alle mal früher in der Schule `gespickt´. Wird das Ganze da nicht überbewertet?“ „Natürlich lacht sich die Opposition ins Fäustchen: Gabriel, Gysi, Trittin und alle die! Aber die sollen´s mal besser machen.“

„Ja nun, er hat halt abgeschrieben, aber er ist ein guter Mann. Er kann die Menschen ansprechen und die jungen Menschen für Politik begeistern.“

Wenn jemand als Politiker die hohe Aufgabe übernommen hat, das Volk zu vertreten, hat er damit auch eine Vorbildfunktion. Diese „Vorbildfunktion“ übt der eine weniger, ein anderer stärker aus, beispielsweise durch: gut gestyltes Aussehen, geschicktes Taktieren, smartes, medienbewusstes Auftreten, allgemeine Eloquenz, Probleme werden (scheinbar) offen benannt und diskutiert. So ein Verhalten kann gerade auch politikferne Menschen beeindrucken.
Wenn aber einem Politiker ein schwerer Fehler unterläuft, ist das Volk im Allgemeinen mehr oder weniger gnädig. Es kommt jetzt darauf an, wie dieser Politiker zu seinem Fehlverhalten steht. Versucht er sich heraus zu reden oder zieht er die Konsequenzen.
Aber was ist da im Fall zu Guttenberg eigentlich passiert? Und warum diese Aufregung, in diesem Fall vornehmlich von Seiten der Wissenschaft? Unredlichkeit und sogar Betrug wird ihm vorgeworfen. Verletzung des Urheberrechtes und möglicherweise Untreue. Sogar der Doktortitel wurde aberkannt. Für uns stellt sich die Frage: Wieso ist das an der Uni Bayreuth nicht schon früher aufgefallen? Dies sollte unbedingt geklärt werden, denn es wäre u. E. denkbar, dass dies in diesem Fall nicht auffallen sollte. Inzwischen ist der ehemalige Verteidigungsminister zu Guttenberg von allen seinen politischen Ämtern zurückgetreten.

Zum Fall Guttenberg z.B.: /Link1/, /Link2/, /Link3/, /Link4/

Was bedeutet eigentlich der „Dr.“-Titel?

Der „Dr.“ vor dem Namen weist den Betreffenden als jemanden aus, der bereits selbständig wissenschaftlich gearbeitet und so die Forschung an vorderster Front vorangetrieben hat (oft allerdings nur ein sehr kleines Stück). Der Doktor-Titel (Dr.) bedeutet eine Ehre für den Betreffenden. Die Menschen haben oft Respekt oder gar Ehrfurcht vor solchen Personen. Man spricht hier auch von Promotion und promovieren. (Das lateinische Wort „promotio“ bedeutet auf Deutsch „Förderung, Ausbreitung“, aber auch „Beförderung, Erhebung“; „promovere“ bedeutet „vorwärts bewegen“)

Einige brauchen die Promotion für ihre berufliche Laufbahn oder die Promotion erleichtert ihnen ihren Berufsweg. Viele streben aber auch den „Doktor“ an, um sich zu beweisen, d. h., dass sie zu einer wissenschaftlichen Arbeit fähig sind, andere jedoch nur aus Eitelkeit, weil sie einen Doktortitel als Bereicherung oder schmückenden Namenszusatz empfinden.

Voraussetzung für die Promotion ist in Deutschland ein abgeschlossenes Studium an einer Hochschule. Wer dann einen „Doktor machen“ will, muss einen Professor an einer Universität finden, der ihn betreut. Dieser Professor ist dann sein „Doktorvater“. Der Doktorand überlegt mit seinem Doktorvater zusammen, was er bearbeiten soll. Für den Doktoranden beginnt eine Zeit harter Arbeit: Viel Fachliteratur ist zu bewältigen, je nach Arbeitsthema bzw. Aufgabenstellung sind im naturwissenschaftlichen Bereich Experimente durchzuführen oder eine Theorie für einen Spezialfall anzuwenden oder zu entwickeln, oder es sind Forschungsergebnisse anderer zusammenzuführen und zu bewerten, klinische Untersuchungen durchzuführen oder vorhandene Krankenberichte (Statistiken) oder Akten auszuwerten. Solange der Doktorvater es mitträgt, kann der Doktorand ziemlich frei arbeiten, so wie er möchte. Die durchgeführten Arbeiten und Ergebnisse sind in einer Doktorarbeit (Dissertation) zu dokumentieren. Wichtig ist, dass in dieser Arbeit vollkommen eindeutig gekennzeichnet ist, was man selber gemacht hat und was man aus Texten anderer Verfasser entnommen hat (genaue Quellenangaben) und/oder wer ggf. wie mitgewirkt hat. Alles andere ist Täuschung. Das gilt allgemein für alle Schriftsätze und Veröffentlichungen. – Das Anfertigen einer Doktorarbeit kann sich über Jahre hinziehen und ist im Normalfall ein Vollzeitjob. Wenn dann die Doktorarbeit abgegeben und vom Doktorvater und zwei Korreferenten bewertet worden ist, gibt es eine mündliche Prüfung, bei der fast nie jemand durchfällt, die aber die Bewertungsnote noch beeinflussen kann.

Es kommt jedoch aus verschiedenen Gründen vor, dass es erst gar nicht zur Abgabe der Doktorarbeit kommt und der ganze Arbeitsaufwand und hineingestecktes Geld umsonst waren. Etwa, weil der Doktorvater sich für die Arbeit nicht mehr interessiert, wo anders hingeht, emeritiert, dauerhaft erkrankt oder gar stirbt. Im Unterschied zum Studium mit Abschlussprüfung, das gesetzlich geregelt ist, ist das Verhältnis zwischen Doktorand und Doktorvater privater Natur ohne einen Rechtsanspruch auf den Abschluss als Doktor. Im Normalfall allerdings profitieren beide von der Promotion: Der Doktorand, weil er den Doktortitel erhält und der Doktorvater, weil er einen „billigen Mann“ hat, der seine Forschung weiterführt. Die Durchführung der Doktorarbeit ist normalerweise kostenlos, aber der Doktorand muss während dieser Zeit selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen, wenn er keine Assistentenstelle inne hat.

Weil der Doktortitel von vielen heiß begehrt ist, andererseits aber viel Arbeit bedeutet und entsprechende Fähigkeiten voraussetzt, versuchen viele, sich den Titel anders zu beschaffen:

  • Der Doktortitel wird von einer Uni im Ausland gegen eine „großzügige Spende“ verliehen, auf Deutsch: gekauft.
  • Teilweise sind die Anforderungen in manchen außer- und osteuropäischen Ländern geringer. Allerdings wurde dem Erwerb eines solchen Doktortitels ein Riegel vorgeschoben, nämlich, dass solche Doktortitel in Deutschland nicht (immer?) anerkannt werden.
  • Ein Vermittler, der zu bezahlen ist, vermittelt in Deutschland oder im Ausland einen Professor, der keine Anforderungen an die Arbeit stellt und den Doktorand durch die Prüfung „schleust“. Der Doktorand braucht ja nicht zu wissen, dass Vermittler und der Professor sich dann das Geld teilen (zumindest ein Gericht hat dies so gesehen /Link/).
  • Der „Doktorand“ lässt sich die Arbeit von einem Fachmann schreiben, den er dafür bezahlt (dies ist Betrug).
  • Der Doktorand sucht im Internet oder in der Literatur Textteile zusammen, die er einfach als seine eigenen ausgibt (ist ebenfalls Betrug). Dies wird dem ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg vorgeworfen.
  • Die Doktor-Urkunde ist gefälscht oder es gibt gar keine. Das kann lange gut gehen, weil später nur selten in der Uni nachgefragt wird.
  • Leider ist auch bei dem regulären Verfahren zum Doktortitel zu bemängeln, dass bei manchen Arbeiten das Niveau zu stark abgesenkt wurde, dies aber nicht wenigstens in der Bewertung zum Ausdruck kommt. Dies ist eine Ungerechtigkeit gegenüber anderen Promotionen.
  • In manchen Regimen (Nazi-Zeit, DDR) konnte die Doktorarbeit auch einfach nur eine Verherrlichung abstruser Ideologien sein.
  • Es sind Bestrebungen zu verhindern, das Recht der Promotion auszuweiten (z. B. kein Promotionsrecht für Fachhochschulen und externe Forschungseinrichtungen).

Man sollte u. E. die Plagiatsaffäre um zu Guttenberg zum Anlass nehmen, die Bedeutung der Doktorarbeit als wissenschaftliche Arbeit wieder in den Vordergrund zu stellen. (Z. B. sollte die Doktorarbeit von jedem, der den Doktortitel hat, in einfacher Weise ohne Beschränkung öffentlich zugänglich sein.)
Der Wissenschafts-Standort Deutschland darf durch solche Machenschaften nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Und anstatt auch auf politischer Ebene die Angelegenheit angemessen aufzuklären, ergeht man sich in Regierungskreisen in gegenseitigen Schuldzuweisungen: „Die CDU-Politiker Schavan und Lammert sind Guttenberg in den Rücken gefallen, poltert CSU-Chef Horst Seehofer. Und lobt den Exminister, den er einst verspottete.“ /Link/

Solch ein „Polittheater“ kann Deutschland überhaupt nicht gebrauchen: In der Politik brauchen wir keine Blender, Hochstapler und Charmeure, sondern Menschen mit Profil, Charisma und Mut zur Wahrhaftigkeit. Nur diese können ein dauerhaftes Vorbild sein, gerade auch für viele junge Menschen, die nach Orientierung suchen.
04.03.2011 gmr

 
 

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