Endlich ein guter Prozessausgang für „Emmely“

Arbeit & Wirtschaft

Mit einem Nachtrag vom 02.12.2010

Am 10.06.2010 verkündete das Bundesarbeitsgericht in Erfurt sein Urteil: Die Kündigung ist unwirksam, eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen.

Die Kassiererin Emmely hatte zwei Leergutbons im Werte von insgesamt 1,30 Euro eingelöst und war deshalb am 22. Februar 2008 fristlos gekündigt worden (s. unseren Bericht). Diese Kündigung wurde von zwei Vorinstanzen bestätigt. Erst das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten der Kassiererin.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -)

Begründung: „Ein vorsätzlicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Vertragspflichten kann eine fristlose Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der damit einhergehende wirtschaftliche Schaden gering ist. Umgekehrt ist nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein Kündigungsgrund.“ § 626 Abs. 1 BGB sieht nur eine „fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“ vor. Das Gericht nahm eine Abwägung vor. Einerseits hatte die Kassiererin einen Vertrauensbruch begangen, andererseits hatte sie sich vorher in über 30-jähriger Tätigkeit ein großes Vertrauen erworben, was durch die Einlösung der beiden Bons nicht völlig zerstört werden konnte. Deshalb war in diesem Fall eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 42/10 /Link/

Obwohl dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nur einen Einzelfall betrifft, meinen wir, dass es doch richtungsweisend ist: Bei der Abwägung, ob eine fristlose Kündigung angemessen ist, kommt es nicht nur auf die Art des Vertragsverstoßes durch den Arbeitnehmer an, sondern auch darauf, wie lange er vorher für den Arbeitgeber unbeanstandet gearbeitet hat. Dies ist eine wesentliche Abweichung von der bisherigen Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichtes, nach der jeder noch so geringe Vertragsverstoß ein Kündigungsgrund war (s. „Bienenstichurteil“). Aufgrund dieses neuen Urteils müssten u. E. die Arbeitsgerichte in solchen Fällen ab jetzt immer eine Abwägung vornehmen. Manche Gerichte haben das in der jüngeren Vergangenheit bereits getan. Langsam scheint die an den Gerichten in der Öffentlichkeit verübte Kritik bei ihnen angekommen zu sein.

Die Bundestagsabgeordnete Anette Kramme (SPD) setzt sich dafür ein, dass diese neue Rechtsprechungslinie auch gesetzlich klargestellt wird, denn es ist einfach notwendig, den meist schwächeren Arbeitnehmer zu schützen und damit eine Symmetrie herzustellen. Wir wünschen uns, dass unsere Anette Kramme „prall am Ball bleibt“ und in ihren Bemühungen auch ernsthafte Unterstützung durch unsere Partei erfährt /Link/.
12.06.2010 mr

Nachtrag vom 02.12.2010:
„Emmely“ ist wieder als Kassiererin bei ihrem letzten Arbeitgeber tätig, jedoch in einer anderen Filiale. Quelle: „stern“ Nr. 48, 25.12.2010, S. 206
Wir können hoffen, dass dieser Fall die Chefetagen und die Justiz aufgerüttelt hat und es zukünftig nicht mehr möglich sein wird, jemanden wegen eines Bagatellvergehens der Lebensgrundlage (durch Verlust der Arbeit) zu berauben.
mr

 
 

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