Freikauf von Strafverfolgung bei Wirtschaftskriminalität

Allgemein

Im August 2014 hatte sich der Milliardär Bernie Ecclestone, Chef der Formel-1-Rennen, mit 100 Millionen Dollar von einer drohenden mehrjährigen Haftstrafe freigekauft /Link/, schon hat das Landgericht München I wieder einen Deal abgeschlossen, diesmal mit dem Ex-BayernLB-Chef Werner Schmidt. Der Ex-BayernLB-Chef räumte - so war es im Gerichtsverfahren verabredet worden - ein, dass er Jörg Haider bestochen habe, damit dieser die marode HGAA an die BayernLB verkaufe. Dafür wurde der u. E. weit schwerwiegendere Anklagepunkt der „Untreue“ fallengelassen, obwohl der Kauf zu einem überhöhten Preis erfolgte. Schmidt wurde nur wegen der Bestechung zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldauflage verurteilt /Link/. Diese Deals haben viele Menschen hier enttäuscht bis empört.

Vermutlich wird der 71-jährige Schmidt nicht noch einmal die Gelegenheit erhalten, eine marode Bank zu kaufen und dafür großzügige Geschenke auf Staatskosten zu machen, um dann doch noch ins Gefängnis zu kommen.

Sich als erfahrener Banker eine marode Bank „andrehen“ zu lassen - letztendlich zu Lasten des Steuerzahlers - ist offenbar ein normaler Vorgang. Nur unbedarfte Bürger glauben vielleicht, dass vor dem Kauf eine Prüfung der Bilanzen der zu kaufenden Bank stattzufinden habe und der Kaufvertrag sorgfältig auszuhandeln sei. - So lief das eben, wenn die damalige bayerische CSU-Regierung solch einen Handel „angeregt“ hatte.

Zur Straftat der „Untreue“
Wir meinen, dass die Straftat der „Untreue“ (§ 266 StGB /Link/) vorliegt, wenn ein Manager eine kostspielige Fehlentscheidung getroffen hat, und er nicht nachweisen kann, dass er vorher die ihm zumutbaren Kontrollen bzw. Maßnahmen, die ihn vor der Fehlentscheidung hätten bewahren können, durchgeführt hat und bei der Entscheidung mit der notwendigen Sorgfalt vorgegangen ist. Oder er kann beweisen, dass ihm diese Fehlentscheidung aufgezwungen wurde oder er betrogen worden ist, aber diesen Betrug nicht merken konnte. Straffrei darf nur und muss sein, wenn sich eine Entscheidung trotz aller Sorgfalt erst im Nachhinein als falsch herausstellt; dies ist das normale Risiko bei Geschäften. Ein Indiz für „Untreue“ kann auch sein, wenn dem Betreffenden dadurch zusätzliches Vermögen zugeflossen ist, wie im Jahr 2000 im Fall Esser und anderen bei der Zerschlagung der Mannesmann AG durch Vodafone.

Jetzt wieder zurück zum o.g. Fall: Soweit wir wissen, hat der Ex-BayernLB-Chef Schmidt sich vorher kein von einem Wirtschaftsprüfer erstelltes Gutachten zur HGAA vorlegen lassen, hat auch nicht in den Kaufvertrag schreiben lassen, dass für versteckte Mängel der Vorbesitzer - also der österreichische Staat - haftet und er wollte wohl u. E. nicht aussagen, dass der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) diesen Kauf wünschte.

Wir finden es schlimm, wenn ein Staatsanwalt beim Fehlverhalten eines Experten/Managers/Sachverständigen, z. B. im Falle einer Falschbegutachtung, Ermittlungen mit den Argumenten ablehnt, der Betreffende habe das wohl nicht absichtlich gemacht oder war zu dumm dazu, das richtig zu machen. Das gleiche gilt für Richter, wenn sie mit ähnlichen Argumenten einer möglichen Straftat nicht nachgehen.
Weiterhin kann es u. E. auch nicht Aufgabe der Richter sein, immer alle betreffenden Geschäftsvorgänge prüfen zu müssen, um zu einem Schuldspruch gelangen zu können, sonst wären die meisten Wirtschaftsstrafprozesse von vorneherein zum Scheitern verurteilt oder zu langwierig.
Im o. g. Fall müsste u. E. beim Ex-BayernLB-Chef schon der Nachweis, dass er die HGAA zu teuer eingekauft hat, zur Verurteilung reichen. Es sei denn, er legt dar, dass er die Vorschriften eingehalten habe. Das würde teilweise auf Beweisumkehr hinauslaufen. „Normale“ Straftäter werden häufig auch dann verurteilt, obwohl die Straftat nicht in allen Details nachgewiesen wurde. (Siehe Zweierlei Maß?)

„Untreue“ liegt nahe an „Korruption“ und wird u. E. in Deutschland weder von der Politik noch von der Justiz mit den gebotenen Anstrengungen bekämpft (Siehe UN-Konvention gegen Korruption).

Zum Deal vor Gericht
In „geeigneten Fällen“ kann ein Gericht dem Angeklagten anbieten, ein Geständnis abzulegen und das Gericht honoriert dies dann mit einer milderen Strafe (§ 257c StPO /Link/, ähnliches Gesetz § 153a StPO). Damit kann das Gericht einen Prozess beschleunigen, wenn die Beweislage schwierig ist.
Dieses Gesetz darf aber u. E. nicht dazu benutzt werden, dass der Angeklagte nur irgendeinen Teil der vorgeworfenen Straftaten gesteht und dafür bestraft wird, aber die wesentlicheren Anklagepunkte dann fallen gelassen werden. § 257c StPO ist eigentlich ein sinnvolles Gesetz, um Straftätern einen Weg zur Umkehr zu öffnen und um die Justiz zu entlasten. Wenn es aber von Gerichten - wie u. E. in den beiden o. g. Fällen - missbraucht wird, müsste es wieder abgeschafft werden, das wäre die Konsequenz aus dieser Art Deals in Wirtschaftsprozessen.
03.11.2014 gmr

 
 

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