Die Bauabnahme nach § 640 BGB - ein gegen Bauherren gerichtetes Gesetz?

Wirtschaft

Aus unserer Sicht ist die Bauabnahme nach § 640 BGB /Link/ ein nicht zu unserer Gesellschaftsordnung passender Paragraf, weil er nicht für einen fairen Interessensausgleich zwischen Bauherren und Bauunternehmer sorgt. Vielmehr ermöglicht er dem Bauunternehmen, den Bauherrn zu benachteiligen oder zu übervorteilen; § 640 BGB sollte deshalb dringend reformiert oder ganz abgeschafft werden. Das Gesetz dürfte aus einer Zeit stammen, in der der Verbraucherschutz noch weitgehend unbeachtet war.

Daran ändert auch kaum etwas, dass der Bauherr zur Bauabnahme sachkundige Personen (z. B. Architekt, Bausachverständigen) mitbringen darf.

Ein Haus stellt ein kompliziertes Gesamtwerk dar und kann daher nicht innerhalb kurzer Zeit, oft nur an einem Tag, umfassend geprüft werden. Anderseits gilt derzeit alles als abgenommen, wofür kein konkreter Mangel vorgetragen wird oder werden kann. Streng genommen müssten also das Gebäude und alle Einbauten, wie Heizung, Wände wegen der Wärmeisolierung usw., nochmals völlig auseinandergenommen und jedes Teil (Gewerk) von einem dafür zuständigen Sachverständigen geprüft und testiert werden. Danach wäre alles wieder fachgerecht zusammenzubauen. Jedem wird klar sein, dass so etwas unrealistisch und daher nicht durchführbar ist. Also müsste logischerweise das auch dem Gesetzgeber (Legislative) klar sein und er müsste den § 640 BGB reformieren.

Hinzukommt, dass ein Bauunternehmer den Bauherrn damit erpressen kann, indem er den Bauherrn erst dann in das neue Haus einziehen lässt und/oder noch offene Arbeiten ausführt, wenn der Bauherr das Haus abgenommen und die letzte Rate bezahlt hat.

In jedem Fall werden u. E. durch § 640 BGB die (Grund-)Rechte des Bauherrn erheblich eingeschränkt. Aus unserer Sicht wäre daher § 640 BGB eigentlich auch eine Sache für das Bundesverfassungsgericht.

Als eine gute Alternative zur „Bauabnahme“ wäre u. E. eine „Übergabe“ des Hauses einzuführen. Der Termin für die „Übergabe“ wäre mindestens vier Monate vorher festzulegen. Zum Zeitpunkt der „Übergabe“ hat das Haus bezugsfertig zu sein. Wird der Termin ohne Verschulden des Bauherrn um mehr als zwei Wochen überschritten, so hat das Bauunternehmen ab dem Zeitpunkt alle Kosten, die dem Bauherrn dadurch entstehen, zu tragen, plus einer Konventionalstrafe von 0,5 ‰ pro Woche der gesamten Baukosten, wenn keine höhere Summe vereinbart wurde. Die Konventionalstrafe entfällt, wenn der Bauunternehmer die Terminverschiebung [wie ungewöhnlich schlechtes Wetter, mehrere Krankheitsfälle in seiner Firma] nicht zu verantworten hat und beim Abschluss des Bauvertrages ein verbindlicher Bauablaufplan bzw. ein Bauzeitenplan vorlag.

Bei der „Übergabe“ muss eine dafür autorisierte und vom Bauunternehmer unabhängige Person anwesend sein, die anhand einer genormten Liste alle Punkte abhandelt und auch das Protokoll führt.

Bei der „Übergabe“ würde ebenfalls eine Mängelliste angefertigt, im Unterschied zur „Abnahme“ können aber noch weitere Mängel in der Garantiezeit / Gewährleistungszeit nachgemeldet werden, auch solche, die bei der „Übergabe“ übersehen worden sind, obschon sie sichtbar waren. Ausgenommen wären nur Mängel, bei denen der Bauunternehmer konstruktive Lösungsvorschläge gemacht und mit dem Bauherrn zusammen eine Lösung dafür gefunden hat (Nachbesserungen, einen finanziellen Ausgleich u. ä.); dies wäre schriftlich festzuhalten bzw. zu protokollieren. D. h. an die Stelle abgenommener Gewerke tritt lediglich eine erste Prüfung des Zustandes des Hauses.

Mit dem „Übergabe“-Termin würde die Garantie-/Gewährleistungszeit beginnen und erst mit den Verjährungsfristen enden. Die Garantiezeit würde vom jeweiligen Gewerk abhängen, sollte aber u. E. mindestens 10 Jahre betragen. Für die Garantie sollte ausreichen, dass Mängel vom Bauherrn oder ggf. von dessen Nachfolger plausibel gemacht werden und dass der Bauherr und ggf. sein Nachfolger die vorher festgelegten und ihnen zumutbaren Wartungen (max. einmal jährlich, z. B. Wartung der Heizung, Dachbegehung mit Beseitigung von Undichtigkeiten und offenen Stellen (Schlupflöchern für Tiere)) durchgeführt hat. Der Bauunternehmer muss dann nachweisen, dass er alles richtig gemacht, sich zumindest an Gesetze, Regeln, Normen und Abmachungen gehalten hat, und nicht umgekehrt der Bauherr, dass der Bauunternehmer Fehler gemacht hat. Also die Beweislast würde im Wesentlichen beim Bauunternehmer liegen und nicht beim Bauherrn, wie jetzt bei der „Abnahme“. Allerdings bleibt der Bauherr verpflichtet, soweit es ihm möglich ist, zur Klärung des Sachverhaltes mit beizutragen.

Inzwischen sind die Materialien und Techniken für den Hausbau so gut und erprobt, dass sehr lange Gewährleistungsfristen festgelegt werden könnten, ohne dass für seriöse Bauunternehmer das Risiko zu groß wird, für Bauschäden aufkommen zu müssen.

Die Gewährleistungspflicht/Garantie von Firmen, die im Haus Arbeiten ausgeführt haben, sollte an das Objekt (Haus) gebunden bleiben und zwar unabhängig davon, dass z. B. der Bauherr beim Verkauf des Hauses die Haftung für ihn unbekannte Mängel ausschließt oder wenn das Haus vererbt wird. Die damit zusammenhängenden Fragen sollen hier aber nicht weiter erörtert werden.

Es sollte selbstverständlich sein, dass Bauunternehmen kleine, nicht vermeidbare Baumängel wie nachträglich auftretende Setzrisse zwei bis drei Jahre nach der Übergabe beseitigen. Sie werden dies bereits beim Baupreis mit einkalkulieren.

Eine Gesamtsumme für Bagatelle-Schäden wäre festzulegen (z. B. 1000 + 400 x t Euro, t=Zeit in Jahre nach der „Übergabe“, z. B. nach 10 Jahren läge die Grenze für Bagatelle-Schäden bei 5000 Euro), unterhalb der der Bauherr den Schaden selbst zu tragen hat. - Kein Bagatellschaden jedoch ist, wenn Maße im Bauplan ohne schriftliche Absprache und Begründung zwar nur geringfügig nicht eingehalten wurden, diese Abweichungen aber dem Bauherrn erhebliche Probleme verursachen (z. B. Treppenbreite, kleinere Gaube). Im Übrigen dürften Maße nur nach Absprache oder auf Wunsch des Bauherrn geändert werden und das ist schriftlich festzuhalten (wer, was, warum und der Kosten). Etwaige entgegenstehende Vereinbarungen, z. B. im Werkvertrag, sollten unwirksam sein.

Eine Versicherung für Bauunternehmer, die die Zahlung dann übernimmt, wenn er nicht zahlt - weil beispielsweise sein Bauunternehmen insolvent ist oder nicht mehr existiert - sollte vor Abschluss des Bauvertrages obligatorisch sein, evtl. mit Offenlegung der Tarifgruppe, aus der entnommen werden kann, ob die Firma häufiger „Murks“ gemacht hat (ähnlich wie bei den Tarifen der Kfz-Haftpflicht).

Unabhängig davon wäre zu überlegen, wie Bauherrn, die vom Bauunternehmer „reingelegt“ worden sind, vom Bauunternehmer zusätzlich eine Art „Schmerzenzgeld“ erhalten könnten und/oder ob sogar (automatisch) eine Strafverfolgung erfolgt. Letzteres wäre der Fall, wenn nicht erbrachte Leistungen abgerechnet wurden; Beispiele wären: Fehlende oder „reduzierte“ Dämmung; Dokumentation eines Fundament- oder Ringerders, der jedoch in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: § 640 BGB bevorzugt u. E. einseitig den Bauunternehmer zum Nachteil des Bauherrn und ist deshalb unbedingt zu reformieren. Und nicht zuletzt, weil das Bauen so zu teuer wird
08.01.2023 mr

 
 

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