Fall Mollath: Wiederaufnahmeverfahren

Allgemein

Am 14.08.2014 hat die 6. Kammer des LGs Regensburg Herrn Mollath freigesprochen. Außerdem wurde dem bayerischen Freistaat aufgetragen, alle Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens und aller früheren Gerichtsverfahren zu tragen, sowie Herrn Mollath für die Zwangsaufenthalte in den psychiatrischen Kliniken zu entschädigen (25 € pro Tag) /Link1/, /Link2/.

Zu den Gründen: „Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte am 12.08.2001 seine damalige Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung“ … „geschlagen, getreten, gewürgt und in den rechten Unterarm gebissen hat, ohne hierfür einen rechtfertigenden Grund gehabt zu haben“. Trotz der „körperlichen Misshandlung“ … „scheidet jedoch trotzdem ein Schuldspruch aus, da - in dubio pro reo - nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte zum damaligen Zeitpunkt, also 2001, im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte, sondern diese Frage vielmehr offen geblieben ist.

Bezüglich des Vorwurfes, im Januar 2005 an diversen Autos Reifen zerstochen zu haben, war Herr Mollath „aus tatsächlichen Gründen freizusprechen“, da ihm diese Taten nicht nachgewiesen werden konnten.

Naturgemäß sind Herr Mollath, viele Juristen und auch wir - als Teil der Öffentlichkeit - nicht zufrieden damit, dass die 6. Kammer die behauptete Misshandlung seiner damaligen Ehefrau Petra M. als erwiesen ansah. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass das unechte Gutachten/Attest auf nicht eindeutig geklärte Weise zustande gekommen ist, die Zeugin Petra S. sich widersprechende Aussagen gemacht hatte und es durchaus möglich ist, dass Petra M. ihren Mann schon damals (2001) - bzgl. ihrer dubiosen Geldgeschäfte - zum Schweigen bringen wollte oder dies da schon vorbereitet wurde. Petra M. war in diesem Gerichtsverfahren auch nicht mehr bereit, überhaupt noch als Zeugin zu erscheinen. Andererseits hat Herr Mollath zwar die Vorwürfe bestritten, wollte sich in diesem Verfahren aber nicht substantiell zu den Tatvorwürfen äußern. Mit diesem Verhalten hat er leider nicht zur Wahrheitsfindung beigetragen. Spätestens als der psychiatrische Sachverständige nicht mehr im Gerichtssaal anwesend war, hätte sich Herr Mollath u. E. verteidigen müssen. Es bleibt also im Dunkeln, was sich am 12.08.2001 wirklich zugetragen hatte /Link/.

Wir können uns des Verdachtes nicht erwehren, dass das Gericht Herrn Mollath zwar freigesprochen und volle Entschädigung zugesprochen hat - was wir begrüßen -, dass es jedoch das Urteil so begründet hat, dass die früheren, beteiligten Gerichte, Staatsanwälte und Sachverständigen dabei möglichst verschont wurden.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehemalige Bundesjustizministerin, forderte, die gesetzlichen Bestimmungen zur Zwangseinweisung in die Psychiatrie zu verschärfen. (Bayerischen Rundfunk, 14.08.2014 und /Link/)

Wir glauben, dass, wenn das Vertrauen in die Justiz wiederhergestellt werden sollte, eine schonungslose Aufarbeitung dieses gesamten Justizfalls stattfinden muss, wobei wir folgende Maßnahmen als notwendig betrachten:

Notwendigkeit eines Ombudsmanns und eines gesetzlichen Verbots von nicht öffentlichen Weisungen an Ermittlungsbehörden

Zunächst fällt auf, dass sich zu Beginn Staatsanwalt Meindl für die Wiederaufnahme des Verfahrens eingesetzt hatte. Dann aber hatte er sich immer mehr gegen Herrn Mollath gewandt und am Ende plädierte er sogar auf „schuldig“ in allen offenen Anklagepunkten. So etwas erzeugt Unbehagen. Dies könnte u. E. nämlich darauf hindeuten, dass Staatsanwaltschaften im Allgemeinen unfähig sind, auch bei offensichtlichen Fehlurteilen eine Wiederaufnahme zu betreiben /Link/. Die manchmal geforderte gesetzliche Regelung, dass die Staatsanwaltschaft unabhängig von Weisungen sein soll, wäre u. E. im Fall Mollath keine Lösung gewesen. Vielleicht säße Herr Mollath heute noch in der Klinik, wenn nicht die damalige Justizministerin Merck (CSU) auf massiven Druck der Öffentlichkeit hin die Staatsanwaltschaft angewiesen hätte, die Wiederaufnahme zu betreiben. Evtl. Weisungen sollten aber transparent und nachvollziehbar, also nur schriftlich erteilt werden. Transparency Deutschland (TI) fordert - aus unserer Sicht völlig zu Recht -, dass jede informelle Einflussnahme auf Staatsanwälte durch Gesetzgebung zu unterbinden ist. Außerdem darf die Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft nicht durch eine gezielte Personalpolitik beeinflusst werden /Link1/, /Link2/. So steht in Bayern wahrscheinlich nach dem Justizfall Mollath die Aufarbeitung des nächsten großen Justizskandals bevor, nämlich der Fall des Augsburger Laborarztes S.. Hier wurden Staatsanwälte und Ermittler vermutlich durch unter der Hand erteilte Weisungen dazu veranlasst, dass sie Wirtschaftsvergehen im großen Stil nicht nachgegangen sind /Link/.

Unabhängig von einer gesetzlichen Regelung der Weisungsbefugnis an Ermittlungsbehörden fordern wir - wie schon so oft - den Justiz-Ombudsmann (JO) , der auch Wiederaufnahmeverfahren in Gang bringen darf. Die gegenwärtige gesetzliche Regel ist u. E. nicht ausreichend, nämlich dass nur der Verurteilte selbst und die Staatsanwaltschaft Wiederaufnahmeverfahren beantragen dürfen, aber kein Dritter. Dem Verurteilten stehen keine Ermittlungsbefugnisse zu und der Staatsanwaltschaft scheint oft der gute Ruf der Justiz wichtiger zu sein, als sich für Fairness und Gerechtigkeit einzusetzen.

Unterbinden der staatlich geschützten Steuerhinterziehung

Es ist noch offen, wie es dazu kommen konnte, dass der von Herrn Mollath angezeigten Steuerhinterziehung nicht nachgegangen wurde, sondern Herr Mollath während 7 Jahren in psychiatrischen Kliniken festgehalten wurde. Offensichtlich bestand bzw. besteht kein Interesse, die dubiosen Geldgeschäfte der ehemaligen Frau Mollath, ihrer Kollegen und Kunden aufzuklären.
Das Wiederaufnahmeverfahren war nicht dazu da, dieser Frage nachzugehen. Hier müsste u. E. wieder eine Weisung an die Staatsanwaltschaft ergehen, in dieser Sache zu ermitteln. Besser wäre es, unbeteiligte Ermittler dazu einzusetzen.

Es sieht u. E. so aus, dass man bei den bayerischen Staatsanwaltschaften kaum etwas dazugelernt hat, denn bereits der nächste große Vertuschungsskandal (Augsburger Laborarzt /Link/) wartet auf Aufklärung.

Ein weiterer Punkt: Offenbar war die HypoVereinsbank nach interner Aufklärung nicht verpflichtet, Anzeige wegen Geldwäsche o. ä. zu erstatten. Geldinstitute sollten verpflichtet werden, bei Verdacht auf Geldwäsche, Steuerhinterziehung u.ä. die Ermittlungsbehörden einzuschalten.

Tonträgeraufnahme, Archivierung von Beweismitteln

Im Wiederaufnahmeverfahren zeigte sich wieder einmal, wie wichtig eine wörtliche Protokollierung aller Vernehmungen und Verhandlungen – zumindest mit Hilfe von Tonträgeraufnahmen - und das Archivieren von Beweismitteln gewesen wäre.

Verlängerung der Verjährungsfristen

Herr Mollath war - wie schon gesagt - 7 Jahre in psychiatrischen Kliniken. Es besteht der Eindruck, dass man sich jetzt erst der Sache angenommen hat, wo wichtige Verjährungsfristen abgelaufen sind. Wir schlagen vor, Verjährungsfristen wesentlich zu verlängern (evtl. auf 20 Jahre), oder nur noch dort anzuwenden, wo ein Zustand/Sachverhalt allgemein - also von allen Betroffenen - für eine gewisse Zeit akzeptiert worden ist. Gerade viele Fehlleistungen in der Rechtsprechung können wegen der zu kurzen Verjährungsfristen nicht verfolgt werden.

Sachverständige

Das Gutachterwesen ist zu verbessern. Es sind Maßnahmen zutreffen, dass Sachverständige ihre Gutachten unabhängig und frei anfertigen können, ohne wirtschaftliche Nachteile fürchten zu müssen.

Verbesserung der Transparenz

In Bayern werden - im Unterschied zu anderen Bundesländern - fast keine Urteile veröffentlicht. Auch das letzte Urteil im Fall Mollath ist nicht veröffentlicht worden, obwohl hier öffentliches Interesse besteht. Die Pressemitteilung /Link/ dazu ist gut, aber nicht ausreichend. Auch die Änderung der Zuständigkeiten von Gerichten (Geschäftsordnung) ist oft nicht durchsichtig und nachvollziehbar. So ist immer noch ungeklärt, wie im Jahr 2006 Richter B. überhaupt an den Fall Mollath kommen konnte.

Bessere Ausstattung der Justiz

Gerade bei den Amtsrichtern und evtl. auch bei den Richtern am Landgericht, die mit dem Fall Mollath befasst waren, können manche - aber nicht alle - Schludereien auf chronischen Zeitmangel, fehlendes Personal, fehlende Hilfsmittel und Räumlichkeiten zurückgeführt werden. Auch die Anzahl der Steuerfander wird u. E. von der bayerischen Regierung bewusst knapp gehalten, um Steuerbetrüger, wenn „große Namen“ dahinter stecken, zu schonen. Wir fordern eine bessere Ausstattung der Justiz und Beschränkung der Nebentätigkeiten, vor allem von Richtern.
04.09.2014 gmr

Frühere Artikel zu dem Justiz-Fall:
  Fall Mollath: Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg (15.04.2013)
  Super-GAU in der Justiz (04.12.2012)

 
 

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