Können wir noch beruhigt Geflügelfleisch essen?

Gesundheit

Die Vogelgrippe ist derzeit keine Gefahr für die Menschen in Deutschland, weil bislang kein Geflügel, das zum Verkauf kommen soll, infiziert ist. Außerdem werden die Vogelgrippeviren

beim Garen bei Temperaturen über 70°C im Innern des Fleisches abgetötet. Bei rohem Geflügelfleisch sollte man schon wegen der Salmonellengefahr streng auf Hygiene achten und das Fleisch sollte auch deshalb immer erhitzt werden. Unabhängig davon muss sich der Vogelgrippevirus H5N1 erst verändern, um andere Tiere oder Menschen befallen zu können. Dies ist bisher weltweit nur vereinzelt geschehen. Trotzdem muss die Ausbreitung der Vogelgrippe möglichst unterbunden werden, weil man eben nicht genau weiß, wie eine mögliche Pandemie, wenn das Virus den Sprung auf die Menschen geschafft hat, gestoppt werden kann. Außerdem wird durch die Vogelgrippe eine wichtige Nahrungsquelle gefährdet.

Größere Sorge bereitet uns derzeit die Meldung, dass zunächst in Italien und nun auch bei uns in Deutschland der Verzehr von Geflügel sehr stark zurückgegangen ist und die Händler das Geflügel daher nicht mehr loswerden. Es wäre nicht das erste Mal, wenn skrupellose Händler und Erzeuger bald beginnen würden, das Geflügel mit neuen Etiketten zu versehen und so bei uns in den Handel bringen. Deshalb wurde im Namen des SPD-Ortsvereins im Februar dieses Jahres beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) nachgefragt, welche Maßnahmen das bayerische Ministerium veranlasst hat, damit kein schlechtes oder überaltertes Geflügel nach Deutschland gelangt und ob der Warenverkehr für Geflügel und Produkte aus Geflügel kontrolliert wird.

Wir haben eine ausführliche Antwort aus dem StMUGV erhalten, für die wir uns herzlich bedanken, denn es ist verständlich, dass die Mitarbeiter z. Z. arbeitsmäßig überlastet sind.

Tiefgefrorene und verpackte Lebensmittel müssen genau etikettiert sein; für lose Ware gibt es derzeit nur wenige Kennzeichnungsvorschriften. Innerhalb der EU kontrolliert die jeweils zuständige Behörde des Heimatlandes die Betriebe. Innerhalb der EU werden dann die verschiedenen Warenströme nicht mehr kontrolliert.

Die Antwort ist insofern nicht beruhigend, weil nicht ersichtlich wird, welche Maßnahmen das StMUGV ergreift oder ergreifen könnte, um kriminelle Machenschaften beim Handel mit Geflügelfleisch aufzudecken oder besser noch zu verhindern. Die Skandale um Gammelfleisch und um verdorbenes Wildfleisch zeigten, dass bisher die Kontrollen unzureichend waren und die Bürger haben das noch nicht vergessen. Aus dem o. g. Schreiben des StMUGV geht nicht hervor, ob die Lebensmittelkontrolle überhaupt verbessert werden soll.

Der Ortsverein wird die SPD-Abgeordneten auf dieses Problem aufmerksam machen und Überlegungen anregen, die Lebensmittelkontrollen zu verschärfen.

Bis dahin muss jede(r) für sich selbst entscheiden, ob sie/er Geflügelfleisch oder -produkte verzehren möchte.

Rolf S.

Wiedergabe der Antwort aus dem StMUGV:

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz StMUGV - Postfach 81 01 40 - 81901 München

Sehr geehrter Herr S.,

im Auftrag von Herrn Staatsminister Dr. Werner Schnappauf danke ich Ihnen für Ihre Zuschrift vom 20.02.2006, in der Sie sich nach der Einfuhrkontrolle und Kennzeichnung von Geflügel insbesondere aus Italien erkundigen. Die Beantwortung Ihres Schreibens hat sich leider aufgrund der aktuellen Arbeitsbelastung der zuständigen Fachabteilung im Ministerium etwas verzögert; ich bitte Sie hierfür um Verständnis.

Für die Kennzeichnung von Lebensmitteln gelten im allgemeinen folgende Vorschriften:

Nach § 3 der Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung sind bei vorverpackt an den Verbraucher abgegebenen Lebensmitteln Angaben über Verkehrsbezeichnung, Hersteller, Verpacker oder Importeur, Zutatenverzeichnis sowie Mindesthaltbarkeitsdatum verbindlich vorgeschrieben.

Tiefgefrorene Lebensmittel, die für den Verbraucher bestimmt sind und tiefgefroren in Fertigpackungen abgegeben werden, müssen zusätzlich gemäß § 5 der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel folgende Angaben tragen:

  • die Worte "tiefgefroren" o.ä. in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung,
  • Aufbewahrungszeitraum und -temperatur,
  • die Worte "nach dem Auftauen nicht wieder einfrieren" oder einen ähnlichen Hinweis,
  • Angaben zur Feststellung der Partie.

Die Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung und die Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel gelten nur für vorverpackte Ware.
Für lose Ware (z.B. auch frische Schlachtware) gibt es derzeit nur wenige Kennzeichnungsvorschriften. So sind bei loser Ware beispielsweise bestimmte Zusatzstoffe auf einem Schild neben oder an der Ware anzugeben.

Für die Herkunftsangabe bestehen in der EU nur für spezielle Erzeugnisse Regelungen, die die Angabe der Herkunft oder des Ursprungs von Lebensmitteln verbindlich vorschreiben. So sieht die sog. Etikettierungsrichtlinie die zwingende Angabe des Ursprungslandes nur dann vor, wenn ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über die tatsächliche Herkunft des Lebensmittels möglich wäre. Auch nach deutschem Recht muss nur für diesen Fall zwingend eine Herkunftsangabe erfolgen.

Für Geflügelfleisch schließlich gibt es mit den europäischen Verordnungen (EWG) Nr. 1906/90 und Nr. 1538/91 und der deutschen Verordnung über Vermarktungsnormen für Ge-flügelfleisch spezielle Kennzeichnungsregeln. Auch hier ist zu unterscheiden, ob Geflügelfleisch lose oder in einer Fertigpackung angeboten wird. Auch hier müssen Verbrauchsdatum, Lagerungsbedingungen, Handelsklasse und Herrichtungsformen angegeben werden.

Was die von Ihnen angesprochenen Einfuhrkontrollen angeht, so gilt folgendes:

Da Italien Mitgliedsland der EU ist, handelt es sich im rechtlichen Sinne beim Warenverkehr aus diesem Land nicht um eine Einfuhr, sondern um eine sog. innergemeinschaftliche Verbringung. Für den Handel zwischen Mitgliedsstaaten brauchen die entsprechenden Betriebe eine EU-Zulassung aus ihrem Heimatland, die einheitliche innereuropäische Standards gewährleistet. Diese werden von den zuständigen Behörden jeweils kontrolliert. Die einheitliche EV-Zulassung und ihre Kontrolle soll sicherstellen, dass keine verdorbenen oder zum Verzehr ungeeigneten Lebensmittel gehandelt werden. Aus dem gleichen Grund erfolgt aber auch keine Kontrolle der grenzüberschreitend gehandelten Lebensmitteln innerhalb der EU; solche Kontrollen werden jeweils nur an den EU-Außengrenzen vorgenommen. Deshalb können auch beim innergemeinschaftlichen Handel nicht die jeweiligen Einfuhrmengen für die verschiedenen Warenströme festgestellt und daraus Rückschlüsse gezogen werden.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

gez.: Dr. Bernd Witzmann
LMR
Referat für Bürgeranliegen

 
 

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