Rederecht im Parlament

Bundespolitik

(Mit einem Nachtrag vom 16.04.2012)

Wir meinen generell, dass in einer Demokratie auch Abgeordnete mit abweichenden Meinungen das Recht haben, dass ihre Meinung im Parlament vorgetragen wird.

Bundestagspräsident Lammert (CDU) hat bei der EFSF-Debatte im Parlament zwei Gegnern des Euro-Rettungsschirms je eine Redezeit von 5 min gewährt. Er wurde dafür von den Fraktionen aller Parteien kritisiert, weil es im Bundestag Brauch sei, dass im Parlament nur Abgeordnete reden dürfen, die von den jeweiligen Bundestagsfraktionen dafür ausgesucht worden sind. So verhindern die Parteien, dass abweichende Meinungen vorgetragen werden.

Wir meinen – und das empfinden sehr viele so – dass durch solche Gepflogenheiten die Demokratie ausgehöhlt wird und deshalb Bundestagspräsident Lammert völlig recht hatte, auch Abgeordnete zu Wort kommen zu lassen, die nicht fraktionskonform denken. Es ist u. E. ein Armutszeugnis für die Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien - leider auch für unsere Fraktion - dass jetzt darüber nachgedacht werden soll, wie in Zukunft verhindert werden kann, dass abweichende Meinungen im Parlament zu hören sind. Das Argument, dass dann Debatten im Parlament zu lange dauern, ist nicht stichhaltig. Wir haben bereits jetzt schon das Gefühl, dass die Abgeordneten vor Abstimmungen zu sehr auf Vordermann gebracht werden (Fraktionszwang) und vielleicht deshalb, aus Frust darüber, ihre Kraft lieber für ihre Nebentätigkeiten einsetzen.

Wir fordern alle Parteien und insbesondere unsere Partei auf, die Demokratie zu stärken. Und dazu gehört auch, dass sich Abgeordnete frei äußern dürfen. Dies ist gerade bei so problembeladenen Themen, wie beispielsweise zu den Euro-Rettungsschirmen, wichtig. Ein „Abnick“-Parlament möchten wir nicht, das gibt es in totalitären Staaten. Soll erst das Bundesverfassungsgericht wieder einmal den „Vordenkern“ in den Fraktionen erklären, was Demokratie ist? Oder müssen Protestparteien, wie die „Piraten“, stark werden, damit es in unseren Parlamenten wieder demokratischer zugeht?

Wir appellieren an unsere Parteispitze und Fraktion, einen Weg zu finden, der die freie Meinungsäußerung im Parlament nicht einschränkt.
31.03.2012 r

Nachtrag vom 16.04.2012

Die Spitzen von Union, FDP und SPD wollen das Rederecht der Abgeordneten im Parlament einschränken und damit die Abgeordneten auf den Kurs ihrer Fraktion bringen. Abweichler sind offensichtlich auch in unserer Partei unerwünscht. Doch es gibt Gegenstimmen: „Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) erteilt den Vorschlägen eine klare Absage.“ „Thierse argumentierte in der Zeitung Sonntag Aktuell, eine starre Regelung, wer reden dürfe und wer nicht, `wäre nicht sinnvoll und entspräche weder dem Geist des Parlamentarismus noch dem Inhalt der Debatten´.“ /Link/
Wie viele andere sind auch wir entsetzt und empört darüber, dass solche Überlegungen von unserer Fraktion unterstützt werden. Die freie Rede von Abgeordneten ist essenziell für die parlamentarische Demokratie.
16.04.2012 mr

Nachtrag zum Nachtrag, Montag, den 16.04.2012:
Die Sache ist vorerst vom Tisch. Besser wäre es, sie flöge sofort in den Papierkorb. - Wir müssen alle wachsam bleiben!

 

Siehe auch unseren Artikel „Demokratie“

 
 

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