Energieversorgung in Deutschland

Bundespolitik

(Mit einem Nachtrag vom 28.09.2022)

 

Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass wir in Deutschland uns auch bzgl. der Energieversorgung allgemein zu sehr von Russland abhängig gemacht haben.

Die verantwortlichen Politiker kritisieren wir nicht so sehr dafür, dass sie die Abhängigkeit von Russland zugelassen oder sogar gefördert haben, sondern dafür, dass sie generell nicht für eine Energie- (und Rohstoff)versorgung aus vielen verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen (Ländern) gesorgt haben.

Primärenergiequellen (Zahlen von 2021 in PJ):

  1. Wind 410 PJ [1]
  2. Solarenergie (Photovoltaik 163 PJ [d1], Thermische Solarenergie 30 PJ [u1]) Summe: 210 PJ [1]
  3. Biomasse (Biogas 108 PJ [d1], synthetische Kraftstoffe (123 PJ), Verbrennung von Holz und sonstiger Biomasse) Summe: 1046 PJ [1]
  4. Abfälle 131 PJ [1]

Summe erneuerbare Energien 1. bis 4. + (7.): 1.947 PJ 15,9% [2] (komplett aus Deutschland, vergleiche mit Wert aus [3], aus 7. wurde noch Wasserkraft + Geothermie hinzugenommen)

  1. Kernenergie 235 PJ 6,1% [4] (2022 nur etwa die Hälfte, weil dann nur noch 3 statt 6 AKWs laufen.)
  2. Fossile Energieträger (Gas 3.288 PJ, 34,9%, Öl 3.961 PJ 42,0%, Steinkohle 1.044 PJ 11,1%, Braunkohle 1.128 PJ, 12,0%) [2] Summe: 9421 PJ
    Davon aus Deutschland: 5,0% Gas, 1,9% Öl, 0% Steinkohle, 102% Braunkohle (aus [3] und 6. berechnet)
    Davon aus Russland: 55% Gas, 34% Öl, 50% Steinkohle, 0% Braunkohle [6] (Summe 3677 PJ)
  3. Sonstige Energieträger 213 PJ, (Wasserkraftwerke 18,5 Mrd. kWh = 69 PJ [d1], Geothermie + Umweltwärme 81 PJ [2], [u1] (komplett aus Deutschland [3])
  4. Energieimporte (-69 PJ, -0,6% ins Ausland gelieferte Energie) [2]

Insgesamt 12.265 PJ 100% [2]
Davon stammen 3.552 PJ aus Deutschland, das sind 30% der gesamten Primärenergie [3]
Verbrauch 12.265 PJ (Davon als Strom 568,8 Mrd. kWh = 2048 PJ) [2]

Stromverbrauch 517,7 Mrd. kWh = 1864 PJ [d2]
Strom aus konventionellen Energieträgern 298,1 Mrd. kWh = 1073 PJ (58 %)
    davon Kohle 156,4 Mrd. kWh, Kernenergie 65,4 Mrd. kWh, Erdgas 65,2 Mrd. kWh
Strom aus erneuerbaren Energieträgern 219,6 Mrd. kWh = 790 PJ (42 %)

Die Zahlen, die man in den einzelnen Quellen (s. u.) findet, weichen teilweise voneinander ab. Das ist zum Teil darin begründet, dass die genaue Bedeutung der Begriffe unterschiedlich verwendet worden ist. Der Autor hat nicht die nötige Zeit, die Zahlen im Einzelnen zu prüfen und zusammenzuführen. U. E. spielen für Nichtfachleute und für politische Entscheidungsträger genauere Zahlen sowieso kaum eine Rolle, wichtig sind die Größenordnungen.

Generell zeigen die Zahlen, dass Deutschland noch sehr weit von einer Energieversorgung durch erneuerbare Energien entfernt ist. Es sind gerade mal ungefähr 40%.

Um den Strom aus konventionellen Energieträgern (1073 PJ) durch den aus erneuerbaren Energieträgern zu ersetzen, müssten 1. und 2.
1073 PJ / (410 PJ + 163 PJ) = 1,87 -fach ausgebaut
also fast verdoppelt werden.

Da in Deutschland die fossilen Brennstoffe wegen der Vermeidung des CO2-Ausstoßes ganz wegfallen sollen (also nicht nur für die Stromherstellung), müssten 1. und 2.
9421 PJ / (410 PJ + 163 PJ) = 16,4 -fach ausgebaut
also fast versiebzehnfacht werden einschließlich der Infrastruktur (Leitungen, Stromspeicher).

und sollten „nur“ die fossilen Energieträger aus Russland eingespart werden, müssten 1. und 2.
3677 PJ / (410 PJ + 163 PJ) = 6,4 -fach ausgebaut
also fast versiebenfacht werden.

Die tatsächlichen Zahlen könnten etwas geringer sein, weil bei Windkraft und Photovoltaik sofort elektrischer Strom entsteht, aber beim Betreiben eines Kohle-, Gas- und Ölkraftwerkes ca. 50% der Energie in die Umwelt verloren geht. Auf der anderen Seite steht die hohe Abhängigkeit der Windkraft und Photovoltaik von Wind und Sonne.

In jedem Fall wird das eine große Herausforderung sein, um das optimistisch zu formulieren, und manchen Umweltverbänden und Bürgerinitiativen scheint es offenbar immer noch egal zu sein, ob Menschen frieren und/oder Not leiden, Hauptsache, der Wattwurm fühlt sich wohl und Windmühle und Stromleitung sind weit genug von ihnen entfernt. Siehe: nicht hier, nicht bei mir

Die Biomasse ist mit Abstand der größte erneuerbare Energieträger, wir hatten sie bei den vorangegangenen Überlegungen trotzdem weggelassen, weil die Flächen zur Erzeugung von Biomasse (z. B. Wälder) kaum noch vergrößert werden können.

Fazit:
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen 1. und 2. wesentlich ausgebaut und 6. abgebaut werden. Allerdings sind diese Energiequellen 1. und 2. stark vom Wetter und der Tageszeit abhängig. Der Ausbau von 3. steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelversorgung und der Erhaltung der Natur.

Um also 1. und 2. optimal nutzen zu können, brauchen wir weitere Stromspeicher oder müssen in der Lage sein, die Energie aus 1. und 2. so umwandeln zu können, dass sie gespeichert werden kann.
Weiterhin muss die Energie vom Entstehungsort dorthin transportiert werden, wo sie gerade gebraucht wird.

Außerdem muss in Deutschland Energie stark eingespart werden, weil jetzt schon abzusehen ist, dass wir nur noch weniger Energie beschaffen können, als wir z.Z. noch brauchen und außerdem die Energiequellen 6. in naher Zukunft - schon allein zum Erreichen der Klimazielen - wegfallen müssen. Die vergangene Regierung Merkel (CDU) hat zwar immer die Wichtigkeit der Klimaziele betont, aber ihren Reden kaum Taten folgen lassen. Bundeskanzler Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf immer wieder hervorgehoben, dass jetzt die Voraussetzungen zum verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien zum Erreichen der Klimaziele geschaffen werden müssen. Es mag zynisch klingen, dass Putin, indem er möglicherweise Europa den Gas- und Ölhahn abdreht, uns zwingt und damit hilft, die Klimaziele noch schneller zu erreichen.

So einfach ist eigentlich der Sachverhalt.

Die Kernenergie spielt eine Sonderrolle: Sie ist klimafreundlich, weil bei ihr kaum CO2 entsteht. Sie steht (bzw. stand) uns in Deutschland zuverlässig zur Verfügung und für die Lieferung von Uran gibt es mehrere voneinander unabhängige Quellen. Nachteilig ist das von ihr ausgehende Gefahrenpotential. Bisher war die Kernkraft bei uns ideologisch so stark belastet, dass öffentlich nicht einmal darüber geredet werden durfte. Dies scheint (momentan) vorbei zu sein.

Wir sind der Meinung, dass die Kernenergie geeignet wäre, Deutschland bei der Überbrückung der Energieknappheit zu helfen. Mit jedem am Netz befindlichen AKW könnten grob gerechnet 0,7% (oder wenn das Gas verstromt wird, sogar 1,4%) russisches Gas eingespart werden.

Jedoch so einfach, wie es der bayerische Ministerpräsident Söder (CSU) uns glauben machen will, können unsere AKWs nicht weiterbetrieben werden. Bisher hat vor allen die CSU den Ausbau der Windkraft, Stromspeicher und Stromtrassen in Bayern - so gut sie konnte boykottiert und sich stattdessen voll auf (über die Pipeline „Transgas“) russisches Gas gestützt. Jetzt wirft Herr Dr. Söder dem Bundeskanzler Scholz (SPD) vor, er kümmere sich zu wenig um die Energieversorgung von Bayern und es sei „fachlicher Blödsinn“, wenn die Nutzung der AKWs an den Brennstäben scheitere.

Nicht die Bundesregierung, sondern die bayerische Landesregierung und die vielen Bürgerinitiativen haben dafür gesorgt, dass Bayern nicht so gut mit Strom versorgt werden kann.

Wir schlagen vor, der bayerische Ministerpräsident Söder täte endlich einmal etwas Sinnvolles für sein Bundesland und das übrige Deutschland, anstatt sich weiterhin destruktiv zu verhalten. Solidarisch wäre, wenn die bayerische Landesregierung anbieten würde,

  • Gas mit Hilfe der Fracking-Methode zu gewinnen, da es auch in Bayern gasführende Schichten gibt,
  • eine Endlagerungsstätte ausweisen zu lassen, da in Bayern geeignete geologische Formationen vorhanden sind. (Für Beides braucht man gar nicht so weit bis ins Norddeutsche Tiefland zu blicken.)
  • Gebiete für den Bau von Pumpspeicherkraftwerke ausweisen zu lassen.

Nun wieder zurück zu den AKWs.

Aus unserer Sicht kann man AKWs länger am Netz lassen bzw. bereits abgeschaltete AKWs wieder einschalten, wenn ihre „Lebenszeit“ noch nicht abgelaufen ist. Dazu müssen aber etliche Voraussetzungen unbedingt erfüllt werden:

  • Zunächst müssen Gesetze zum Atomausstieg geändert werden und zwar im Bundestag sowie im Bundesrat. Vielleicht sogar in den Länder-Parlamenten.
  • Die Betreiber der AKWs müssen zu einer Kehrtwende - notfalls mittels gesetzlicher Regelungen - überzeugt werden, denn sie haben bereits Vorbereitungen getroffen, die AKWs abzubauen.
  • Dann müssen unserer Ansicht nach alle Sicherheitsprüfungen und Inspektionen - die in den letzten Jahren nicht mehr durchgeführt wurden - schnellstens nachgeholt werden. Das ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Auch in der Notsituation der Energieknappheit müssen beim Betreiben der AKWs alle Sicherheitsmaßnahmen unbedingt eingehalten werden. Hier scheint es sich der TÜV Süd mit seinem Gutachten zu einfach gemacht zu haben. Der Sinn jeder Überprüfung besteht gerade darin, festzustellen, ob noch alles in Ordnung ist. Wenn ja, dann ist alles gut, wenn aber nicht, dann besteht dringender Handlungsbedarf. Die 10jährige Sicherheitsüberprüfung hätte eigentlich bereits 2019 erfolgen müssen /Link/.
  • Eine Laufzeitstreckung oder gar -verlängerung hätte zur Folge, dass Fach-Personal bei den Betreibern und Herstellern wieder reaktiviert oder neu rekrutiert werden müsste. Das Regelwerk zum Betreiben eines AKWs ist so umfangreich, dass nur intensiv geschultes Fachpersonal es bewältigen kann. Außerdem muss auch das Regelwerk auf den neusten Stand angepasst werden. Fachpersonal lässt sich aber nur anwerben, wenn es auch für sich eine langfristige Perspektive sieht.

Man kann mit einigen technischen Maßnahmen die Brennstäbe ein paar Monate länger benutzen, aber auch hierzu muss die Vorgehensweise vorher geklärt sein und schon allein dazu müssen Gesetze geändert werden.

Es gibt mehrere Hersteller für Brennstäbe. Die Brennstäbe müssen jedoch genau nach Kundenwünschen individuell für jedes AKW angefertigt werden. Dazu gehören umfangreiche Berechnungen von Ingenieuren und/oder Physikern.

Wenn wir beobachten, wie Diskussionen darüber bisher gelaufen sind, glauben wir nicht, dass die Kernkraft in Deutschland eine Renaissance erleben wird. Es wäre u. E. schon etwas gewonnen, wenn die drei AKWs wenigstens noch über den Winter 2022/23 am Netz bleiben könnten.

Wir glauben, dass jetzt endlich die Umstellung auf erneuerbare Energien und die Einsparung von Energie intensiv vorangetrieben werden muss, damit unsere Energieversorgung nicht zusammenbricht.

Quellen:

Alle Werte für die Energie wurden in PJ angegeben. Dabei wurden teilweise Werte in TWh in PJ umgerechnet, so dass man alle Zahlen direkt miteinander vergleichen kann /Link/.

1 PJ (Petajoule) = 1000.000.000.000.000 J (Joule)

1 J = 1 Ws (Wattsekunde)

1 Mrd. kWh = 1 TWh = 1000.000.000.000 Wh = 3,6 PJ

Mrd. = Milliarde, kWh = Kilowattstunde, TWh = Terawattstunde

Werte, die in Mrd. kWh oder TWh angegeben sind, sind mit 3,6 zu multiplizieren, um sie in PJ umzurechnen.

AGEB AG Energiebilanzen e.V. /Link/ (PDF, 1014 KB)

[1] = Werte aus Tabelle 14, Seite 39

[1a] = Werte aus [1], umgerechnet von Mrd. kWh in PJ, 1 PJ = 1 Mrd. kWh / 3,6

[2] = Werte aus Tabelle 1, Seite 2

[3] = Tabelle 4, Seite 12

[4] = Es wurde weder der Wert aus [2] noch der Wert aus dem Text auf Seite 32 (69,1 Mrd. kWh Strom) benutzt, sondern die ins Netz abgegebene Strommenge [d2]. Bei Kernkraftwerken interessiert nicht, wieviel Energie aus den Brennstäben insgesamt herausgeholt wird und auch nicht der Eigenverbrauch sondern nur die abgegebene Strommenge.

[5] = Tabelle 13, Seite 35

[6] = Seite 10

DESTATIS Statistisches Bundesamt /Link/

[d1] Tabelle: „Im Inland produzierte und ins Netz eingespeiste Strommenge

[d2] Tabelle: „Stromeinspeisung durch konventionelle und erneuerbare Energieträger 2021/2020

 
[u1]: Umwelt Bundesamt /Link/

14.08.2022 r

 

Nachtrag vom 28.09.2022

Der frühere Vorschlag des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Habeck (Grüner), zwei der drei noch laufenden Atomkraftwerke nur in Reserve zu behalten, soll vermutlich gleichermaßen die Kernkraftbefürworter und -gegner bedienen, ist u. E. aber technisch nicht sinnvoll realisierbar. Z. B. /Link/

Ein AKW sollte während seiner ganzen Lebenszeit möglichst bei konstanter Temperatur des Reaktorkessels betrieben werden, dann ist die (thermische) Beanspruchung des Reaktorblocks am geringsten. Jedes Hoch- und Herunterfahren (z. B. für eine Inspektion oder bei einer Notabschaltung) des AKWs muss genau geplant sein, und zwar nicht von Ökonomen und Juristen sondern von Ingenieuren, Physikern und anderen technischen Fachleuten. Für ein Wiederhochfahren werden mehrere Tage benötigt. Ein abgeschaltetes AKW als Reserve vorzuhalten, dürfte daher wesentlich aufwendiger - wenn überhaupt möglich – sein, als es durchgehend laufen zu lassen.

Allenfalls könnte man einen Kernkraftwerksblock mit reduzierter Last oder vielleicht sogar mit Nulllast, aber bei Betriebstemperatur fahren. In diesem Fall wäre u. E. der technische und finanzielle Aufwand so groß wie beim Normalbetrieb. Auch die vom AKW ausgehende mögliche Gefährdung wäre in beiden Situationen etwa gleich. Allenfalls halten die Brennstäbe bei reduzierter Last länger. Es ist kaum abzusehen, wie kalt der Winter wird und unsere Gasspeicher könnten sich schnell leeren. Das Abwarten eines (weiteren) Energie-Stresstestes sehen wir nur als das übliche Procedere an, unbequeme Entscheidungen aufzuschieben.

Inzwischen scheint auch der Bundesminister Habeck (Grüner) erkannt zu haben, dass es in unserer gegenwärtigen Situation besser ist, wenigstens zwei der im Betrieb befindlichen drei AKWs über den 31.12.2022 laufen zu lassen. Herr Habeck begründet das im Wesentlichen damit, dass Frankreich von uns Strom brauche, da ein großer Teil der AKWs dort ausgefallen ist. /Link1/, /Link2/. AKWs stabilisieren das Stromnetz und auch kleinere Einsparungen von Energie sind ein Gewinn.
Viele Menschen haben das bereits erkannt und sparen Energie ein.
28.09.2022 r

 

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