10 Allgemeines Gleichbehand­lungsgesetz (AGG)

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren verpflichtet, die oben genannten Richtlinien in eigene nationale Gesetze umzusetzen. Dies erfolgte in Deutschland durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) /Link/ vom 14.08.2006 (auch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet). In § 1 sind die Ziele des AGG sowie in § 2 der Anwendungsbereich detailliert aufgeführt:

„§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

In seinem arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6 – 18), verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz somit Benachteiligungen, die sich personenbezogen auf die in § 1 aufgeführten Merkmale beziehen. Die Diskriminierungsverbote des Gesetzes dienen dem Schutz der Menschenrechte.

Der sachliche Anwendungsbereich erstreckt sich auf:

  • die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie für den beruflichen Aufstieg,
  • die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen
  • den Zugang zu Berufsberatung, Berufsbildung, Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung und Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
  • die Mitgliedschaft u. Mitwirkung in Gewerkschaften u. Arbeitgebervereinigungen und Vereinigungen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören,
  • den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
  • soziale Vergünstigungen,
  • Bildung, Zugang zu Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen
  • den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum, wozu auch der Zugang zu Gaststätten und Clubs gehört,
  • Belästigungen durch Verhaltensweisen, die die Würde eines Menschen in Form von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen verletzen können,
  • sexuelle Belästigung sowie
  • Anweisung zu solchen Verhaltensweisen.

Persönlicher Geltungsbereich
Das Diskriminierungsverbot in Beruf und Ausbildung gilt generell für alle Personen in privaten und öffentlichen Beschäftigungsbereichen ebenso für unselbständige wie selbständige Erwerbstätigkeit. Es bezieht sich sowohl auf Teilzeit- als auch auf Vollzeitbeschäftigte und auf alle Arten von Arbeitsverträgen.

Unmittelbare Diskriminierung
Das Gesetz unterscheidet zwischen einer unmittelbaren sowie einer mittelbaren Diskriminierung. Ein unmittelbare Diskriminierung liegt vor, „wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“ (§ 3 Abs. 1 AGG). In Bezug auf das Alter liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn z. B. ein Arbeitgeber in einer Stellenanzeige den Kreis der Bewerber auf junge Leute beschränkt und diese Arbeitsstelle ebenso gut von einer älteren Person ausgeübt werden könnte.

Mittelbare Diskriminierung
Eine mittelbare Diskriminierung ist dann gegeben, wenn „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich“ (§ 3 Abs. 2 AGG). Eine mittelbare Diskriminierung ist z. B. gegeben, wenn aufgrund einer betrieblichen Regelung in einer Betriebsvereinbarung Teilzeitbeschäftigte von einer betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden. Mittelbare Diskriminierung bedeutet, dass Personen selbst dann vor Ungleichbehandlungen geschützt werden, wenn diese unbeabsichtigt geschehen oder unbewusst erfolgen. Es kommt nicht auf die Absicht, wohl aber auf die Folgen an. Nicht erforderlich ist, dass die Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Benachteiligungsmerkmale erfolgt. Ansonsten würde eine unmittelbare Benachteiligung vorliegen. So sehr die Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes auf den Bereich der mittelbaren Diskriminierung positiv zu beurteilen ist, so sehr ist es wünschenswert, dass dieser Problembereich durch die Gerichtsbarkeit klarer und einheitlich ausgelegt wird.

Belästigung
Eine Belästigung für den Problembereich des Alters liegt vor, wenn die Würde einer Person durch Verhaltensweisen wie Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen verletzt wird und damit eine Benachteiligung der betreffenden Person erfolgt.

Benachteiligungen aus Gründen des Alters nach dem AGG
Benachteiligungen aus Gründen des Alters beziehen sich auf das konkrete Lebensalter, das in vielen gesetzlichen Regelungen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen festgelegt ist. Dabei muss hervorgehoben werden – wie eingangs bereits dargestellt wurde – dass es sich nicht ausschließlich um den Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung geht, wenn dies auch ein besonderer Schwerpunkt bei der Anwendung des Gesetzes ist. Der Schutz vor Benachteiligung und gegen eine unterschiedliche Behandlung bezieht sich auch auf ein geringeres Lebensalter. So kann ein Beschäftigter im Sinne des AGG benachteiligt werden, wenn er 60 Jahre alt ist. Desgleichen kann aber auch ein 30-Jähriger wegen seines niedrigeren Lebensalters benachteiligt werden. Die Vorgaben des AGG können nicht in dem Sinne verstanden werden, dass Altersunterschiede aufgehoben oder angeglichen werden, um ältere Beschäftigte wie jüngere Beschäftigte zu behandeln. Das im AGG verankerte Merkmal Alter erfordert eine differenzierte Auslegung und Anwendung, sodass eine allgemein gültige Lösung durch das Gesetz nicht möglich ist.

Beispiele für Benachteiligungen wegen des Alters:

  • Altersteilzeit
  • Altersstufen bei tariflichem Entgelt
  • Mindestalter für Einstellungen
  • Höchstalter für Einstellungen
  • Auswahlrichtlinien nach § 95 Betriebsverfassungsgesetz (Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen)
  • Kündigungsfristen nach § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – nach Dauer der Beschäftigungszeit
  • Berücksichtigung des Lebensalters als Kriterium im Rahmen der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz
  • Abfindungsregelungen gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz (Höhe der Abfindung bei Vollendung des 50. oder 55. Lebensjahr)
  • Sozialplanregelungen, die an das Lebensalter anknüpfen
  • Gewährung von Leistungen erst ab einem bestimmten Alter
  • Sonderkündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen
  • Altersbefristungen
  • Urlaubsansprüche
  • Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit ab einem bestimmten Alter.

Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen
Nach § 8 AGG ist jedoch eine unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten wegen eines Grundes nach § 1 AGG zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Allgemein können hierunter Feuerwehrmänner, Polizisten, Fluglotsen und Busfahrer subsumiert werden, die ab einem bestimmten Alter nicht mehr eingesetzt werden, weil ihre körperliche Belastbarkeit wesentlicher Teil ihres Berufes ist.

Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Ebenfalls zulässig sind unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters gemäß § 10 AGG, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Im Hinblick auf die Situation älterer Beschäftigte gestattet die Regelung in § 10 AGG die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität sowie die Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten. Fraglich ist allerdings, ob damit jede Differenzierung, beispielsweise im Hinblick auf den Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung zulässig ist. Möglich sind auch Differenzierungen bei finanziellen Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn die Chancen der Älteren entsprechende Berücksichtigung finden. Die Auslegung dieser Regelungen ist umstritten und es besteht große Unsicherheit über die Grenzen der zulässigen altersbedingten Ungleichbehandlungsmöglichkeiten. Das trifft in besonderem Maße zu bei der Vereinbarkeit von Altersgrenzen, die eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt eines bestimmten Lebensalters vorsehen. Eine solche Regelung führt im Sinne der europäischen Richtlinie 2000/78/EG, Artikel 2, /Link/ zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung. Inwieweit eine solche Regelung nach § 10 Abs. 1 AGG objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein kann, muss sicher im Einzelfall aufgrund der Vielschichtigkeit der Problematik unter Berücksichtigung der berufsspezifischen betrieblichen und gesetzlichen Erfordernisse von den Arbeitsgerichten bis hin zum Europäischen Gerichtshof beurteilt werden.

Eine unterschiedliche Behandlung ist nach § 5 AGG auch zulässig, wenn durch positive Maßnahmen Benachteiligungen bei älteren Beschäftigten verhindert oder ausgeglichen werden, wenn z. B. ältere Arbeitnehmer von Wechselschichten befreit werden oder Zusatzurlaub gewährt wird unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Als keine geeignet positive Maßnahme nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Gewährung einer höheren Vergütung an ältere Beschäftigte anzusehen, weil hierdurch kein tatsächlicher Nachteil ausgeglichen wird.

Pflichten des Arbeitgebers
Arbeitgeber dürfen Arbeitsplätze nur diskriminierungsfrei ausschreiben. Das Lebensalter darf grundsätzlich nicht mehr angegeben werden, es sei denn, es greift ein Rechtfertigungsgrund. Eine Stellenausschreibung mit der z. B. ein 20- bis 40-jähriger Arbeitnehmer gesucht wird, entspricht nicht den Bestimmungen des § 1 AGG. Wenn jedoch ein Theater für seine Programmgestaltung einen jugendlichen Liebhaber sucht, wäre dies ein berufsbezogenes Merkmal, das keine Benachteiligung älterer Schauspieler bewirken könnte. Streng genommen wäre ggf. auch die Anforderung eines Lichtbildes schädlich, denn aus dem Lichtbild kann ggf. auf das Lebensalter geschlossen werden.

Neben der diskriminierungsfreien Ausschreibung von Arbeitsplätzen hat der Arbeitgeber die Verpflichtung, Beschäftigte vor ungerechtfertigten Benachteiligungen zu schützen. Ihm kommt die Aufgabe zu, Maßnahmen für ein Arbeitsklima zu schaffen, das frei ist von Ungleichbehandlungen und Belästigungen. Bei einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot hat der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zu ergreifen, diese können arbeitsrechtliche Maßnahmen bis zur Kündigung einschließen. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers greift nicht nur bei einem diskriminierenden Verhalten von Beschäftigten, sondern auch, wenn die Benachteiligung von Vorgesetzten und von Dritten ausgeht. Auch hier muss der Arbeitgeber entsprechende Maßnahmen ergreifen (§12 AGG). Benachteiligungen im Bereich der Beschäftigungsverhältnisse stellen darüber hinaus eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die auch Regressansprüche nach dem Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auslösen können.

Arbeitgeber sind weiter verpflichtet, die Regelungen des Gesetzes in geeigneter Weise bekannt zu machen. Insbesondere müssen auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in Bezug auf die Vereinbarkeit mit den Regelungen des AGG überprüft werden.

Rechte der Beschäftigten
Bei Verletzung der Diskriminierungsverbote haben Beschäftigte Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung sowie auch ggf. Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens. Soweit kein Vermögensschaden entstanden ist, besteht ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht überschreiten. Nach § 16 AGG besteht ein Maßregelungsverbot, d. h. ein Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG oder wegen der Weigerung, eine gegen das Gesetz verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen.

Hervorhebenswert ist in diesem Zusammenhang die Geltendmachung des Anspruchs, der innerhalb von zwei Monaten vorgetragen sein muss sowie die Umkehr der Beweislast nach § 22 AGG. Wenn in einem Streitfalle ein Beschäftigter aufgrund von Indizien nachweist, dass eine Diskriminierung nach den Benachteiligungsmerkmalen besteht, trägt die Gegenpartei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz von Benachteiligungen vorgelegen hat.

Neben den im AGG aufgeführten Diskriminierungsmerkmalen ist festzustellen, dass Diskriminierungen wegen politischer Ansichten, wegen der Staatsangehörigkeit und wegen Krankheit in dem Gesetz nicht erfasst werden, wie das der Fall ist in einigen Mitgliedsländern der Europäischen Union. Frankreich verbietet z. B. dem Arbeitgeber die Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung des Arbeitnehmers, seines Familienstandes und seiner Sitten. Die Niederlande verbieten die Diskriminierung aufgrund der Nationalität.

Zur Unterstützung der Unterbindung von Diskriminierungen sieht das AGG die Bildung von Antidiskriminierungsverbänden vor, die die besonderen Interessen von benachteiligten Personen oder Personengruppen wahrnehmen.

Der Vollständigkeit halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass das AGG auch Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr beinhaltet, welches nicht Inhalt dieser Arbeit ist. Festzuhalten ist aber der Nachteil, dass das Gesetz gerade bei in der Gesellschaft häufig auftretender Diskriminierung zwischen Privatpersonen außerhalb von Vertragsverhältnissen keine Regelung getroffen hat.

Die Verabschiedung des AGG war von harten Auseinandersetzungen seitens der Wirtschaft begleitet, weil man hinsichtlich der Anwendung der Vorschriften mit erheblicher Bürokratie und vor allem mit einer Prozesswelle bei den Arbeitsgerichten rechnete. Dieser Ansturm auf die Arbeitsgerichte hat sich nach Auskunft des Arbeitsgerichts Dortmund nicht bestätigt. In den Statistiken des Arbeitsgerichts werden Klagen in Bezug auf das AGG nicht besonders erfasst.

Die Benachteiligungsmerkmale des AGG wie „Alter“ wurden entsprechend in § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes /Link/ übernommen (Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen).

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