Die Schwächen und Stärken unserer Partei

Bundespolitik

(Mit einem Nachtrag vom 15.11.2008)

Die Vorgänge in Hessen zeigen, dass in unserer Partei das Verhältnis zwischen Parteibasis und –spitze verbessert werden muss. Die SPD ist von ihrer Grundeinstellung her von allen anderen Parteien am ehesten in der Lage, sich für soziale Belange der Bürger einzusetzen. Doch die Umsetzung dieser Idee erfordert noch große Anstrengungen.

Die Bildung einer Regierungskoalition in Hessen unter Führung von Andrea Ypsilanti ist gescheitert. Es mag sein, dass von den abtrünnigen hessischen Genossen auch persönliche Rechnungen beglichen worden sind. Die Berufung auf das Gewissen ist oft eine fragwürdige Sache.

Wesentlicher scheint mir jedoch zu sein, dass Andrea Ypsilanti vor der Wahl ausdrücklich ein Zusammengehen mit den Linken ausgeschlossen hat und nun dieses Versprechen brechen wollte. Genossin Dagmar Metzger hat ihre Weigerung, Andrea Ypsilanti zu unterstützen, von Anfang an mit diesem Argument begründet und verdient unseren Respekt, im Gegensatz zu den Dreien, die erst kurz vor der Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin abgesprungen sind.

Die Vorgänge in Hessen sollen zum Anlass genommen werden, wieder einmal ein besseres Verhältnis zwischen Parteibasis und –spitze anzumahnen und zu erinnern, dass die Partei ihren Werten treu bleiben muss. Die SPD ist schließlich die Partei, die von ihrer Einstellung her am ehesten in der Lage ist, sich - frei von Ideologie - für soziale Belange der Bürger einzusetzen.

Zunächst einmal allgemein: Die Parteimitglieder (und die Wähler) erwarten von den Politikern Ehrlichkeit und Geradlinigkeit aber kein Herumtaktieren.

Die SPD muss die Partei bleiben, die sich für das Allgemeinwohl aller Menschen in Deutschland (einschließlich der hier lebenden Ausländer) einsetzt. Im Unterschied etwa zur CDU/CSU, die in weiten Teilen durch ihre Politik bewirkt, dass Reiche immer reicher und die übrigen immer ärmer werden und, um die nächste Wahl zu gewinnen, den Staatshaushalt weiter verschuldet (eine Ausnahme bildet Bundeskanzlerin Merkel). Oder im Unterschied zu den Grünen, die oft den Anschein erwecken, Ökologie sei ein Selbstzweck. Oder im Unterschied zur FDP, die die Freiheit oft als Allheilmittel anpreist. Freiheit ist ein sehr hohes Gut. Sie muss aber da eingeschränkt werden, wo andere dadurch unzulässig benachteiligt werden. Die Linken wiederum wollen das verteilen, was gar nicht erwirtschaftet ist. Um aber besser als die anderen Parteien zu sein, muss die SPD in Bereichen, die andere Parteien teilweise besser abdecken (wie z. B. Verbraucherschutz, Rechtspflege, Pressefreiheit, Wahrung der Privatsphäre), noch einiges verbessern.

Das Fiasko für die SPD in Hessen ist m. E. auch auf das Fehlen eines überzeugenden Regierungskonzeptes zurückzuführen. Die Energiepolitik (und Wirtschaftspolitik) von Andrea Ypsilanti war reines Wunschdenken, vermutlich vom „Sonnenenergieapostel“ Hermann Scheer initiiert. Richtig ist, dass sich die SPD für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzt, solange dadurch nicht unsere Lebensgrundlage eingeschränkt wird (Nahrungsmittelverknappung, Zerstörung der Umwelt). Eine enge Terminvorgabe - wie eine oder zwei Legislaturperioden -, in der das erreicht werden soll, ist nicht einhaltbar. In unserer Seite wurde schon mehrfach angemahnt, die Ideale unserer Partei in ein überzeugendes Programm, an das sich unsere Politiker auch halten, umzusetzen.

Dagmar Metzger hatte mehrmals gesagt, dass sie unter Druck gesetzt worden sei. Parteidisziplin ist zwar notwendig, sie darf aber nicht dazu missbraucht werden, dass „Vordenker“ damit ihre Meinung rücksichtslos durchsetzen. Die Partei muss die Wege verbessern, auf denen die Meinungen ihrer Mitglieder zur Parteispitze vordringen können und dort auch beachtet werden. Auf Parteitagen, Versammlungen usw. gibt es viele Reden und Formalitäten zu erledigen, so dass die meisten Teilnehmer nur zum Zuhören „verdammt“ sind. Insbesondere auch für rhetorisch Unbegabte müssen Kommunikationswege möglich sein.

Trotz aller Kritik an dem Verhalten einiger unserer Parteioberen soll festgestellt werden, dass gerade oft die Fachleute, wie Minister der SPD, volkswirtschaftlichen Weitblick zeigten, jedoch leider oft von der CDU/CSU und FDP gehindert wurden, die richtigen Maßnahmen durchzusetzen. So wurden beispielsweise im Bundesrat alle Bemühungen unseres früheren Finanzministers Hans Eichel abgeblockt, die Bankenaufsicht zu verstärken. Das Ergebnis dieser Blokadepolitik, nämlich dass die Finanzkrise auch Deutschland in voller Härte getroffen hat, erleben wir gerade. Jetzt wäre es für unser Land wichtig, dass Finanzminister Peer Steinbrück volle Unterstützung erfährt, wenn er die Gesetze für das Finanzwesen so ändern will, dass das Geld nicht mehr von Banken „verzockt“ wird, Hedgefond-Manager keine Firmen mehr zerstören können, Steueroasen ausgetrocknet werden und wenn er mehr Eigenkapital bei allen Geschäften fordert. Jeder, ob er ein Auto, ein Haus, einen Konzern oder Aktien usw. kaufen will, sollte dafür z. B. mindestens 30 % des Kaufpreises selbst aufbringen. Weiterhin müssten Manager für ihre Misswirtschaft haften. Es darf nicht sein, dass die Banken viele Milliarden Euro Steuergelder erhalten, die Bankmanager dies mit Champagner und Kaviar feiern, und dann alles beim Alten bleibt bis zur nächsten Finanz- oder Wirtschaftskrise.

Schon aus diesen Gründen ist es notwendig, dass die SPD so stark wird, dass sie die CDU/CSU und FDP davon abhalten kann, die notwendigen Schritte zur Bewältigung der Finanzkrise mit dem scheinheiligen Argument, zuerst müsse Europa oder sonst wer etwas tun, zu verwässern oder auszubremsen

Außerdem ist den Reichen immer wieder bewusst zu machen, dass die Gesellschaft, in der sie leben, zu ihrem Reichtum beigetragen hat und auch für die Infrastruktur und damit für das befriedete Umfeld sorgt. Deshalb müssen die Reichen umgekehrt auch zum Wohl der Bevölkerung beitragen.

Andere Stärken der SPD sind, dass sie sich ernsthaft um die Sicherung der sozialen Systeme in Deutschland bemüht. Die Regierung Kohl (CDU) hatte die Probleme der Rentenversicherung und des Gesundheitswesens schleifen lassen. Wir erleben den dauernden Kampf unserer Gesundheitsministerin Ulla Schmidt mit all den Lobbyisten. Die Bürger sollten es honorieren, dass SPD-Minister gegen Widerstände angehen, wenn es um die Sicherung des Wohles der Menschen in Deutschland für die Zukunft geht.

Trotz mancher Krisen in unserer Partei und trotz vielem, was zu kritisieren ist und wir immer wieder anmahnen werden, glaube ich, dass die SPD die einzige Partei ist, die für einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessengruppen sorgen und damit das Allgemeinwohl dauerhaft fördern kann. Wir hoffen, dass auch aus den desaströsen Vorgängen in Hessen die richtigen Lehren gezogen werden.
08.11.2008 gmr

Nachtrag vom 15.11.2008: Hören Sie/hört auch "Süßstoff" im Bayerischen Rundfunk (2,8 MB)

 
 

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