Schwachstellen in der Justiz - gezeigt am Fall Peggy

Allgemein

Kompakt:

  • Kriminalbeamte und Staatsanwälte dürfen nicht deshalb in Misskredit geraten, weil sie trotz aller Anstrengungen auch einmal erfolglos bleiben. Vorgesetzte und Öffentlichkeit (z. B. Presse) müssen unterscheiden zwischen Beamten, die trotz aller Bemühungen - wie im Fall Peggy - erfolglos bleiben und solchen, die schlampig, destruktiv oder gar kriminell arbeiten.
  • Im Fall Peggy haben Kriminalbeamte, Staatsanwalt und Richter bestehende Gesetze umgangen, nachdem sie zunächst erfolglos waren.
  • Von allen Verhören und Gerichtsverhandlungen sollten Wortprotokolle erstellt werden.
  • Das Rechtsmittel Revision ist zu verbessern oder es muss das Rechtsmittel Berufung auch bei Strafverfahren möglich sein.
  • Wir halten es für einen Skandal, dass mit der Revision nicht grundsätzlich Urteile komplett überprüft werden können, wenn bei der Gerichtsverhandlung oder bereits im Vorfeld Gesetze verletzt worden sind.
  • Auch am Fall Peggy wird deutlich, dass dafür zu sorgen ist, dass Sachverständige ordentlich zu arbeiten haben.
  • Es wäre schlimm, wenn in der Rechtspflege erst (allein) auf Druck der Öffentlichkeit korrekt gearbeitet würde.

Am 09. Mai 2001 verschwand Peggy. Das neunjährige Mädchen aus Lichtenberg kam auf dem Heimweg von der Schule nicht mehr zu Hause an. Seither fehlt von Peggy jede Spur. Die Ermittler blieben trotz intensiver Suche und einem hohen Fahndungsaufwand - sogar im Ausland - ohne Erfolg. In Verdacht geriet dabei auch Ulvi, damals 23 Jahre alt, der - aufgrund einer Hirnhautentzündung in seiner Kindheit - geistig behindert ist und schon vorher durch sexuelle Belästigungen von Kindern aufgefallen war.

Der Druck der Öffentlichkeit auf die Kriminalbeamten war dabei sehr hoch. Der resultierende Polizei- und Justizskandal besteht u. E. darin, dass Ulvi von den Ermittlern - unter Missachtung der Gesetze - zu einem Mordgeständnis gebracht worden war und dass ihn das Landgericht in Hof dann 2004 nur auf Grund dieses Geständnisses zu lebenslanger Haft verurteilt hatte. Indizienbeweise gibt es bis heute keine. Auch die Revision war erfolglos.

Viele Menschen - Öffentlichkeit - setzten sich - ähnlich wie beim Fall Mollath - für ein Wiederaufnahmeverfahren ein, weil sie von Ulvis Unschuld überzeugt sind.

Der Richter E. des Landgerichts Bayreuth kam bei der Beweisaufnahme im Wiederaufnahmeverfahren zu dem Ergebnis, dass es keinerlei Sachbeweise gegen Ulvi gibt und erhebliche Zweifel bestehen, dass der in Ulvis Geständnis (das er damals vor Gericht wiederrufen hatte) geschilderte Tathergang überhaupt möglich war. Heute wurde Ulvi freigesprochen.

Für Einzelheiten zum Fall Peggy verweisen wir auf die Literatur (z. B. /Link1/, /Link2/). Uns geht es hier nur darum, an solch einem weiteren Fall aufzuzeigen, wo politischer Handlungsbedarf besteht.

Auch dieser Fall zeigt wieder einmal, dass Verhöre zwar auch „intensiv“ geführt werden können, aber dass sich der Gesetzgeber und die ausführende Gewalt (Regierung, Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei) dafür einsetzen müssten,

  • dass Verhöre immer protokolliert werden müssen (Tonträgeraufnahmen),
  • dass jeder, der einer Tat beschuldigt wird, sofort einen Anwalt/Rechtsbeistand zur Seite gestellt bekommt, der sich für seinen Mandanten auch wirklich einsetzt und
  • dass in keinem Fall dem mutmaßlichen Täter eine Geschichte untergeschoben werden darf, die sich die Ermittler vorher zu Recht gelegt haben, oder dass mutmaßliche Täter nicht deshalb eine Geschichte erfinden, um endlich ihre Ruhe zu haben (z. B. wie im Fall Rudolf Rupp /Link/).

Strafrichter sollten im Rahmen des Gerichtsverfahrens verpflichtet sein, zu überprüfen, ob diese Rechte gewahrt wurden.
Die Revisionsrichter sollten zumindest verpflichtet werden, Urteile genauer zu lesen und auf ihre innere Logik hin zu überprüfen. So hätten sie beispielsweise feststellen können, dass es im Fall Ulvi überhaupt keine und im Fall Mollath - bzgl. der zerstochenen Reifen - keine ausreichenden Sachbeweise gab.
Weiterhin sollten BGH-Richter das Recht haben, auch die Akten, die ihnen zugestellt werden, berücksichtigen zu dürfen. Soviel Freiheit sollten sie haben! Im Regelfall überprüfen die BGH-Richter im Rahmen der Revision Urteile nur noch auf formale Rechtsfehler hin und zwar nur in den Punkten, die der Beschwerdeführer angefochten hat. Die Vorstellung in der Justiz, dass man rechtliche Fragen komplett von Fragen zum Tathergang bzw. der Sachlage trennen kann, halten wir für eine unheilvolle Rechtsfiktion, von der sich die Juristen endlich trennen müssten. Wir nehmen an, dass die Richter der Landgerichte zumindest die Zeugenaussagen wörtlich protokollieren müssten, wenn bei Strafverfahren das Rechtsmittel der Berufung möglich wäre. Und vielleicht würde mancher Richter auch gewissenhafter arbeiten, wenn er eine tatsächliche Überprüfung seiner Urteile befürchten muss.

Der Umgang mit Sachverständigen - wir können es nur gebetsmühlenartig wiederholen - muss neu überdacht und geregelt werden. Im Fall Ulvi und wie auch im Fall Mollath hat derselbe psychiatrische Sachverständige u. E. jeweils das vom Gericht gewünschte, aber unkorrekt erstellte Gutachten geliefert (/Link1/, /Link2/, Suchwort: Kröber ). Es ist offenbar ein allgemeines Problem in der Justiz, dass Sachverständige, auch Sachverständige mit großem Renommee, oft das vom Gericht erwünschte Gutachten anstatt ein korrektes Gutachten liefern. Offenbar denken solche Sachverständige oft nur ökonomisch und leider dann zu Lasten einer redlichen Arbeit.
14.05.2014 mr

 
 

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