Überlastung des Bundesverfassungsgerichts

Bundespolitik

(Mit einem Nachtrag vom 02.10.2011)

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Voßkuhle, wies in einem Interview /Link/ darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht durch die Flut von Beschwerden überlastet ist.

Er fordert deshalb eine Lockerung der Regeln für die Missbrauchsgebühr. Dies halten wir für den falschen Weg. Der Vorschlag, dass irgendein Beamter ein Bußgeld für eine Beschwerde verhängen kann, birgt u. E. die Gefahr der Willkür in sich.

Wir halten es für die bessere Lösung, einen „Justiz-Ombudsmann“ (JO) nach schwedischem Modell einzuführen, und haben deshalb einen offenen Brief zu diesem Thema an die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hier eingestellt.

Zum Offenen Brief

08.09.2011
 
 

Nachtrag vom 02.10.2011

Die Bundesministerin der Justiz, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat auf den offenen Brief vom 02.09.2011 geantwortet. Dafür danken wir ihr.

In dem Antwort-Schreiben wird darauf hingewiesen, „dass die Verfassungsbeschwerde keine Fortsetzung des Instanzenzuges darstellt, sondern einen außerordentlichen Rechtsbehelf, mit dem nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts geltend gemacht werden kann.“ Deshalb wurde gesetzlich geregelt, dass „eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen“ ist, „soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder wenn das zur Durchsetzung der Grundrechte angezeigt ist.“ In diesem Punkt können wir der Ministerin nur zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht die Rolle einer Superinstanz übernehmen.

Zur Missbrauchsgebühr wird in dem Brief ausgeführt, dass die neu einzuführende Missbrauchsgebühr nur dann erhoben werden können soll, wenn Beschwerdeführer „trotz Belehrung über eine offensichtliche Aussichtslosigkeit ihrer Verfassungsbeschwerde auf einer richterlichen Prüfung und Entscheidung bestehen“. Wenn das vernünftig gemacht wird, sehen wir dabei kein Problem.

Nicht teilen können wir jedoch die Einschätzung der Ministerin: „Die Justiz in Deutschland funktioniert insgesamt sehr gut.“ Leider konnten die „massiven Missstände in der Justiz“ in dem offenen Brief nicht näher ausgeführt werden, weil er sonst zu lang geworden wäre. Im Artikel „Die Richter von Naumburg - Wie viel Justizwillkür verträgt unser Rechtsstaat noch?“ wurden zwei Gerichtsverfahren erwähnt, die in einem Rechtsstaat eigentlich hätten so nicht ablaufen dürfen. Auch die „Zitatensammlung“ spricht eine deutliche Sprache. Juristen gehen davon aus, dass ca. 10 % aller Urteile Fehlurteile sind, die aus sachfremden Gründen erlassen oder billigend in Kauf genommen werden – also nicht irrtümlicherweise ergangen sind. Das ist ein sehr hoher Prozentsatz, der sich beispielsweise im technischen Bereich verheerend auswirken würde. Niemand würde es z. B. akzeptabel finden, wenn jede tausendste Brücke unerwartet einstürzen würde, obwohl das prozentual gesehen hundertmal weniger wäre als falsche Gerichtsverfahren. Offenbar ist das auch der Politik klar, denn sonst würde man nicht nach Alternativen, wie Vergleiche (um jeden Preis) und Mediation, suchen.

Um hier eine Verbesserung zu erzielen, haben wir, wie schon viele vor uns, die Schaffung eines „Justiz-Ombudsmann“ (JO) und eine Internetplattform für (wirkliche und vermeintliche) Justizgeschädigte vorgeschlagen. Wenn unsere Justiz so gut arbeitet, wie so oft behauptet wird, hätte der Ombudsmann dann wohl kaum etwas zu tun und die Internetplattform bliebe leer. Aber dies, prognostizieren wir, wird nie eintreten. Wie dem auch sei, könnte es aber evtl. einige Gerichte dazu animieren, fairer zu arbeiten und dem Gesetzgeber zeigen, wo Handlungsbedarf besteht.

02.10.2011 Die Redaktion

 
 

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