Verfassungswidrige Zusatzzahlungen an Abgeordnete des Bundestages?

MdB und MdL

Boni nicht nur für Banker, die ihre Bank in den Ruin geführt haben, sondern zweifelhafte Zusatzzahlungen auch an Abgeordnete des Bundestages.

Über 100 Bundestagsabgeordnete beziehen neben ihren Diäten von monatlich 7668 € und der steuerfreien Kostenpauschale von 3.969 € noch Zusatzzahlungen vom Staat für alle möglichen „Pöstchen“ wie Fraktionsvizevorsitzende usw. /Link/. Diese Zusatzzahlungen an Abgeordnete sind – wie viele meinen - gemäß zweier Urteile (2 BvH 3/91, 2 BvH 4/91) des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000 nicht verfassungsgemäß, dennoch wird an dieser Praxis festgehalten.

Aus dem Bundestag ist zu hören, dass die Urteile nur das Landesparlament in Thüringen betrifft, weil zwei Landtagsabgeordnete geklagt hatten und der Zahlungsmodus im Bundestag anders sei. Juristen halten dies für nicht stichhaltig, weil die Begründung des Bundesverfassungsgerichts allgemein gehalten ist und deshalb für alle deutschen Parlamente gilt. Das Gericht sieht nämlich die Gefahr, dass die ungleiche Bezahlung der Abgeordneten „die Gleichheit der Abgeordneten“ und „die Entscheidungsfreiheit aller Abgeordneten beeinträchtigen“ könne /Link/. Die politischen Parteien haben es dadurch in der Hand, sich mit den Zusatzzahlungen das Wohlverhalten gegenüber der Parteiführung zu sichern.

Auffällig ist, dass wir bei unserer Recherche auf der Internetseite des Bundestages in punkto Zusatzzahlungen nicht fündig wurden. Im Unterschied zu den „normalen“ Zahlungen an die Abgeordneten sollen wohl die Empfänger und die Höhe der Zusatzzahlungen geheim bleiben. Es geht dabei um eine monatliche Zusatzzahlung von durchschnittlich ca. 2500 € und schwankt - soweit wir in Erfahrung bringen konnten - zwischen 1000 € und 9000 €, abhängig von der jeweiligen Zusatzaufgabe. Also erhalten diese bevorzugt behandelten Abgeordneten im Durchschnitt 7668 € + 3.969 € + ca. 2500 € = ca. 14.137 € pro Monat, die übrigen erhalten monatlich 11637 €.

Unabhängig davon halten wir es nach wie vor für falsch, dass einige Abgeordnete durch Nebentätigkeiten hohe Nebenverdienste (z. B. mehr als 18 000 € pro Jahr) erzielen. Der Abgeordnetenberuf ist ein Vollzeitjob!! Das haben die Verfassungsrichter den Abgeordneten ins Stammbuch geschrieben, die glaubten, das Abgeordnetendasein sei nur eine Ehrenmitgliedschaft mit Ehrensold /Link, siehe z.B. Absatz-Nr. 209ff/. Außerdem besteht die Gefahr einer Interessenkollision und Einflussnahme (Lobbyismus). Wir teilen die Meinung des Verfassungsgerichts, dass 7668 € als reines Gehalt (=Diäten) für einen Abgeordneten mit Vollarbeitszeit akzeptabel ist.

Einige sozialdemokratische Abgeordnete gehen als „gläserne Abgeordnete“ (z. B. /Link/) mit gutem Beispiel voran und geben auf ihrer Internetseite ihre Einnahmen und Ausgaben an. Wir begrüßen, dass unter diesen Abgeordneten Olaf Scholz /Link/ und Dr. Matthias Miersch /Link/ sind, die auf ihrer Internetseite auch die Zusatzzahlung als stellvertretender Fraktionsvorsitzender bzw. als umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion angegeben haben und so ihren Einsatz für mehr Transparenz bzgl. der Einnahmen unter Beweis stellen.

Wir hoffen, dies macht Schule.

Vielleicht finden diese „gläsernen“ Abgeordneten zusammen mit anderen den Mut, gegen die verfassungswidrigen Zustände im Bundestag bzgl. der Zusatzzahlungen und der Anhäufung von Nebentätigkeiten anzugehen. Das Grundgesetz gilt für alle im Land.

Weitere Links:

http://www.welt.de/politik/

http://www.lobbycontrol.de (Download) (pdf-Datei, 544KB)

http://www.lobbycontrol.de/blog/

http://www.tagesspiegel.de/politik/

25.10.2010 gmr

 

Nachtrag vom 03.11.2018

Wir fordern Transparenz von allen Volksvertretern.

„WIE VIEL GELD? VON WEM? WOFÜR?“ Zum Flugblatt vom 19.10.2012 (pdf, 88 KB)

 
 

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